Marchegg 1973

Bernhard Schausberger

Prolog

Sie war jetzt 59. Die Jahre der Arbeit in Wien lagen hinter ihr. Nun fuhr sie nur von Zeit zu Zeit von Bratislava nach Wien, um ihre Freundin Andrejka zu besuchen. Der Zug von Bratislava nach Wien über die alte Route, d.h. vom Hauptbahnhof über Marchegg nach Wien war noch so unscheinbar wie zu Anfang der Neunziger Jahre. Und immer voll mit Frauen, immer schon, seit sie diese Züge zum Pendeln benutzt hatte. Der Zug ratterte über die Brücke, über den Waldstreifen entlang des Grenzflusses March. Irgendwo hier musste es passiert sein. Damals im September 1973.

Sie erinnerte sich an ihre Studienzeit – damals als Sie zu Beginn ihres Studiums auf der Universität in Moskau  im September zu ihren Eltern nach Bratislava zurückkehrte. Sie war glücklich gewesen, bei der Abfahrt vom Bahnhof in Moskau ein Abteil im Zug ergattert zu haben. Zum Glück waren ihre Eltern wohlhabend – so blieb Ihr der Gruppenliegewagen mit den stinkenden und fleckigen Matratzen erspart. An diesem Tag hatte Sie für die Heimfahrt den Zug mit dem Namen Dukla nehmen müssen, d.h. jenen über Kiew der langsamer war.  Die Reise nahm rund 40 Stunden in Anspruch, manchmal mehr. Die Zollerklärung war ausgefüllt – das Papier wurde lange vor der Grenze verteilt, eine endlose Liste von Fragen, die am besten mit Njet zu beantworten waren. Nach langer Fahrt war in Čop die Grenze zur ČSSR erreicht – der Zug wurde umgespurt. Ein stundelanger Vorgang, grelles Scheinwerferlicht, Soldaten überall im und um den Zug. Die Toiletten gesperrt, sie musste aber raus, war panisch zur Bahnhofstoilette gehetzt, immer in Angst, der Zug könne plötzlich weiter fahren.

Und in Čop, da waren sie eingestiegen. Archaisch gekleidete Menschen, das Hab und Gut in Säcken, eingerollte Matratzen, unter den Armen. Die Plätze im Zug waren nun vollständig besetzt. Sie war umgeben von den Mitgliedern einer Großfamilie aus rund 15 Personen. Tee und Essen wurde verteilt, sie wurde eingeladen. An das Gespräch mit dem Oberhaupt der Familie – einem rund fünfzigjährigen Arzt aus Astrachan nahe der Mündung der Wolga in die Kaspische See – sollte sie sich lange erinnern. Die Gruppe hatte eine Odyssee in zahlreichen Zügen hinter sich. Für eine derartig große Gruppe galt es die Strecke im teuren, internationalen Zug so kurz wie möglich zu halten; das hieß aber endlose Tage in regionalen Zügen, von Rayon zu Rayon. Innerlich erschreckt hatte sie sich damals über die offenen Worte des Mannes. Er erzählte offen von den vielen Nachteilen und Kränkungen die das tägliche Leben prägten, dem Wunsch nach einer besseren Zukunft für seine Kinder und deren Nachkommen. Immerzu sehen, wie die besten Arbeitsplätze jene bekamen, die die Worte der Kader am lautesten wiederholten, erleben wie deren Kindern das Studium ermöglicht, den eigenen aber versagt wurde. Und die Erschwernisse, die eigene Kultur zu wahren in einem Leben, das stark von religiösen Ritualen geprägt zu sein schien. Zwei Monatsgehälter – mehr hatten sie nicht mitnehmen dürfen. Aber der Mann zwinkerte und klopfte auf seinen langen Mantel, die Stiefel, die Säcke und meinte: im Grunde ist jeder Genosse geneigt, ein Auge zuzudrücken, so man nur die richtigen Argumente parat hat. Der Weg den sie nach der Odyssee durch die Sowjetunion noch vor sich hatten, klang für sie unglaublich: von Bratislava nach Österreich und von dort weiter ins Gelobte Land. Die offenen Worte und die Zuversicht dieser Menschen angesichts des Weges in ein unbekanntes, fernes Land hatten Sie noch lange bewegt.

Fug und Recht

Er war jetzt 33, saß im Beifahrersitz eines VW-Pritschenwagens, in der Hand die MP, um die Hüfte fühlte er den Druck des Sprengstoffgürtels und in seinem Schoß lag eine entsicherte Handgranate. Neben sich hatte er die alte Jüdin und am Steuer saß der alte Österreicher. Der Wagen mit den sechs Insassen in der engen Doppelkabine stand am Rollfeld des Flughafens Schwechat. Es wurde Nacht. Vor seinen Augen zwei Flugzeuge und jede Menge Autos: Polizeifahrzeuge, Militärfahrzeuge, dunkle Limousinen. Ein Ort, mitten im alten Europa, das solange die Geschicke der Welt – auch seiner Welt – regiert hatte.  Der Blick in den Rückspiegel zeigte zwei angespannte Gesichter. Drei Juden und ein Österreicher – in seiner Hand. Die Aktion Teil eines größeren Planes mit Verbündeten in der arabischen Welt.  Er war ‚in command‘. Am Ende eines langen Weges durch eine Kindheit und Jugend geprägt von Zeltlagern, Dreck, Mangel, Angst und Hass und Hass und Angst. Und dann hatter er sich der 1968 in Syrien gegründeten Al-Saika – der Aktion Donnerschlag -  angeschlossen. Die Fatah von Jassir Arafat hatte zu viel versprochen und zu wenig Handlungen gesetzt; die Vision eines eigenständigen Palästinas war auch wenig zukunftsweisend - nicht zu vergleichen, mit der Vision einer panarabischen Vereinigung, die Zuhair Moshin vertrat. Moshin hatte es verstanden ihn aus seinem trägen Dasein zu holen, und ihm eine klare Idee auf den Weg nach Europa mit zu geben. Israel war wie der kleine Knochen in der Luftröhre  eines gewaltigen Tieres, des panarabischen Löwen. Die Macht Isreals wuchs mit dem stetigen Zustrom der Menschen aus vielen Teilen der Welt, insbesondere aber jener aus der Sojwetunion. Dort sollten rund zwei Millionen Juden leben, ein großer Teil von ihnen wohl bereit auszuwandern.
Ein Strom speist sich aus vielen Quellen; versiegten die Quellen so wurde der Fluss zum Rinnsal und verschwand schließlich zwischen Sand und Steinen. Und für diese Aufgabe – dem Strom Einhalt zu gebieten -  brauchte es sie, die Adler der Freiheit, bereit aus der Höhe zu stürzen, panischen Schreck in der Herde zu verbreiten, die Herde zu zerstreuen, die Hunde und Hirten zu verwirren und wieder in Freiheit zu entschwinden. Der Flug des Adlers, dieser Flug hatte ihn schließlich am 25. September 1973 nach Wien geführt.
Alles war vorbereitet. Zwei Tage hatten er und Abu Ali Zeit gehabt. Besuchsvisa und Zugkarten lagen bereit. Zuerst von Wien nach Bratislava. Die Generalprobe, die Fahrt zurück durch das Niemandsland entlang der Grenze, die minutiöse Notiz aller Halte und Kontrollen vor und nach der Brücke über den Grenzfluss. Klar war, dass vor dem ersten Halt in Österreich – ein Ort namens Marchegg – die Geisel in ihrer Hand sein mußten.
Das Pulver aus der kleinen, weißen Tüte hatte geholfen, die Angst zu überwinden. Er hatte sich stark und zu allem bereit gefühlt. Sein Begleiter und er waren bereit für den Einsatz. Neuerliche Fahrt nach Bratislava, diesmal mit der Ausrüstung in den doppelten Böden der Koffer. Aussteigen in Bratislava – ins Hotel. Dort die letzten Vorbereitungen. Zurück zum Hauptbahnhof, Einsteigen in den Express Franz Chopin nach Wien. Es folgte eine blitzschnelle Sequenz von Bildern in der Erinnerung: das Befragen der Fahrgäste, die fassungslosen Blicke, als die beiden MPs aus den Sakkos gezogen wurden, die Angst in den Gesichtern, Schreie, Tränen. Der erste Uniformierte – entwaffnet; der Zweite im Schlafwagenabteil überrascht – entwaffnet. Beim Zusammentreiben der Gruppe die Flucht des einen Uniformierten, eine MP-Salve nachgeschickt, dann die panische Herde aus dem Zug in das Bahnhofsgebäude getrieben. Die eine Frau mit dem Kind war ihnen entwischt – vier Geisel waren genug. Der eine Mann im Gebäude konnte endlich Englisch – ihre Forderungen hatte er verstanden. Der erste, der wirklich rasch begriffen und gehandelt hatte.
Fug und Unfug
Der eine, der bei ihnen hinten im Bus saß hatte versucht in raschem, gebrochenem Englisch etwas zu erklären – weder er noch die drei anderen hatten es verstanden – einzig das Wort Schönau, das dachte er verstanden zu haben. Schönau war ja mehrfach in der Zeitung gewesen - vor allem anlässlich des Besuchs von Golda Meir im letzten Jahr: die israelische Staatspräsidentin hatte das Transitlager der Jewish Agency besucht. In acht Jahren hatten 165.000 Juden die Sowjetunion verlassen und waren von Schönau nach Israel gereist. Kollegen hatten ihm erzählt, dass das Lager Schönau in den letzten Monaten zur Festung geworden war: 100 Beamte des Gendarmeriekommandos Bad Vöslau im Dauereinsatz, darunter Scharfschützen, rund um das Gelände Stacheldraht und Alarmanlagen.
Franz Bobits fühlte sich unendlich müde – er zählte 62 Jahre, über 25 Jahre im Dienst der Zollwache. Ein Leben in Marchegg, die kleine Landwirtschaft der Eltern, die Arbeits- und Orientierungslosigkeit nach dem Krieg, der Weg zur Zollwache in eine zwar schlecht entlohnte aber sichere Arbeit. Seit dem Ende des Krieges und den Wirren der ersten Besatzungszeit hatte er keine Waffe gegen Menschen gerichtet gesehen.

Bis heute: er hatte sich nach der Inspektion eines Schlafwagenabteils im Expresszug Franz Chopin umgedreht und da stand ihm der eine der Beiden mit einer Maschinenpistole gegenüber, entwaffnete ihn und drängte ihn in ein Schlafwagenabteil. Dann der planmäßige Halt des Zuges in Marchegg. Seitdem hatte er mehrmals gedacht, dass der Bewaffnete die Nerven verlieren und schießen würde. Zuerst als sein  Kollege Veleba  aus dem Zug gerannt war und eine MP-Salve folgte. Dann, als die Frau mit dem Kind auf dem Arm sich aus der Gruppe gelöst hatte und zwischen den parkenden Autos verschwunden war. Im Bahnshofsgebäude die Kollegen von Bahn und Zollwacht, die bekannten Gesichter, der Spediteur Bustmann der in Englisch verhandelt hatte. Schließlich war er mit der Waffe an das Steuer des Fluchtwagens dirigiert worden: ein blauer Pritschenwagen der Bahnhofsverwaltung. Neben ihn wurde die alte Frau gedrängt. Auf der rückwärtigen Bank saßen der alte und der junge Mann sowie der zweite Bewaffnete: das Ziel war Schwechat. Mechanisch war er zur Donaubrücke bei Hainburg gefahren, weiter Richtung Göttlesbrunn – über ihrem Auto ein Hubschrauber – keine Polizeifahrzeuge im Rückspiegel. Wohl ein grotesker Anblick, dachte er. Ein alter VW-Pritschenwagen, Gas am Anschlag mit 100 km/h, unterwegs am helllichten Tag durch die kleinen Ortschaften südlich der Donau. Die Doppelkabine vollgepfercht mit sechs Personen, zwei davon schwer bewaffnet. Bobits rechnete jeden Moment mit einer Polizeisperre und den aus seiner Sicht unweigerlichen Folgen, sobald das Polizeiaufgebot sichtbar wurde.

Schließlich die Durchfahrt Fischamend, Fahrt über den Bahnübergang; im Rückspiegel sah Bobits wie sich der Schranken senkte.  Nahezu unglaubliche, unbehelligte Weiterfahrt durch die leeren Straßen. Dann waren sie am Flughafen angekommen – dieser war geisterhaft leer, sie passierten alle Sperren und standen am Rollfeld. Bobits blickte starr nach vorne; aus dem Augenwinkel hatte er gesehen, dass am Schoß des Bewaffneten eine Handgranate lag. Vier bewaffnete Exekutivbeamte näherten sich dem Wagen – er hörte wie der eine von ihnen rief: ‚Kummt’s auße, ihr Scheißhund, i rotz euch des gonze Magazin in Bauch!‘ Der Bewaffnete rechts neben ihm fragte den anwesenden Fotografen durch den Fensterspalt, was gesagt worden war: der Fotograf antwortete: ‚that the man is angry since he has to be on duty because of you!‘. Geistesgegenwärtig zerrte der Fotograf die Polizisten weg von dem Wagen. Bobits hatte aufgeatmet: es war nie Teil ihrer Ausbildung gewesen, Menschen effektiv zu schützen. Die alte Frau neben ihm war am Ende – sie hatte mehrfach auf Deutsch gefleht, auf die Toilette gehen zu dürfen; Bobits hatte versucht, es dem Bewaffneten in radebrechendem Englisch zu erklären – hoffnungslos.
Per Megaphon wurde aus einem der weiter entfernt am Rollfeld stehenden Wagen in Englisch etwas gerufen. Offenbar der Beginn der Verhandlungen. Der eine Bewaffnete antwortete aus einem Spalt im Fenster. Bobits verstand in etwa, dass ein Flugzeug verlangt wurde, um in ein arabisches Land zu gelangen. Der Andere gab zur Antwort, ‘that captives have to be set free . Otherwise no airplane will be provided!‘. Die beiden Bewaffneten wechselten einige Sätze. Bobits fühlte die Anspannung der beiden und hielt den Blick weiter starr aus der Windschutzscheibe. Stunden vergingen; kurzes Hin und Her, Ablehnung jeglicher Angebote seitens der Bewaffneten. Der Geruch von menschlichen Ausdünstungen, die Luft im Wageninneren war unerträglich stickig geworden; die alte Frau war zusammengebrochen, hatte auf die Windschutzscheibe getrommelt, weinte nur noch vor sich in. Zwei weitere Männer näherten sich dem Wagen – Bobits erkannte, dass es sich weder um Militär noch um Polizisten handelte.  Sie begannen eine lange Unterhaltung durch den Fensterspalt. Bobits hörte der ruhigen Sprachmelodie zu, nickte mehrfach aus Erschöpfung ein. Eine Abfolge unzähliger Fragen seitens der Beiden, knappe Antworten des einen Bewaffneten. Als fühlbar wurde, dass die Geduld des Bewaffneten am Ende war, verschwanden die Beiden. Wieder Warten, die Dunkelheit brach herein. Mit der hereinbrechenden Dunkelheit war die Gereiztheit der Bewaffneten fast physisch zu greifen. Entspannung trat erst ein, als ein gewisser Gohar, offenbar ein Vertreter Ägyptens, die Verhandlungen aufnahm. Bobits verstand, dass das Ultimatum und damit vermutlich ihr Leben verlängert wurde. Angeblich sei die Regierung in Beratung. Man ersuche, die Geiseln nicht zu gefährden.
Was war ein Leben wert? Bobits dachte an die Berichte des Geiseldramas im letzten Jahr in München. Aus dieser Sicht war die Chance auf Rettung gering. Seine Uhr zeigte 22.30 – um 5 Uhr hatte sein Tag in Marchegg begonnen: draußen herbstliche Dunkelheit, drinnen die vertrauten Gerüche seines Hauses – jetzt unendlich weit weg. Wieder näherte sich ein Mann dem Wagen – Aussehen nicht zu deuten, kein Dienstgrad zu erkennen, aber bewaffnet. Der Mann kam dem Wagen gefährlich nahe. Begann in schleppendem Englisch – fast wie alkoholisiert - zu sprechen; keine Reaktion der Bewaffneten. Andere kamen, zerrten rasch den Mann weg vom Wagen.  Beruhigende Worte, der beiden ersten Verhandler folgten. Man sei in Beratungen.
23.30 – ein neues Angebot: das Transfer-Camp Schönau würde geschlossen werden, ein Flugzeug werde bereit gestellt, falls die Geiseln freigelassen werden. Kurze Beratung der beiden Bewaffneten. Flug wohin? – in ein arabisches Land ihrer Wahl. Warum sollten sie das Angebot der Schließung des Camps Schönau glauben? - dies würde als Erklärung der Regierung um 1 Uhr früh im Rundfunk verlesen werden – in Deutsch und Englisch. Weitere Fragen folgten. Schließlich: ‚O.k. – we agree!‘
0: 45 Uhr: Schließlich kam eine Gruppe Personen mit einem Transistorradio zum Wagen. ‚Show us that it is a radio!‘ Die Antenne wurde geschwenkt, die Musik in Ö3 zum abgehackten Stakkato. ‚O.k. – we believe!‘ Wieder Warten, der Gesandte Gohar ersuchte um Geduld, es gäbe noch ‚technical problems to be solved‘.Die Tanzmusik wurde unterbrochen. Bobits hörte folgende Erklärung:

„Die Bundesregierung hat in einem am 28. September 1973 stattgefundenen, außerordentlichen Ministerrat beschlossen, in Anbetracht des Umstandes, dass die Sicherheit der aus der Sowjetunion in Gruppen nach Israel auswandernden Sowjetbürger bei ihrer Durchreise durch Österreich gefährdet ist, von jetzt an und in Zukunft die bisher gewährten Erleichterungen, wie die Unterbringung im Lager Schönau, einzustellen.“

Die Erklärung wurde in Englisch wiederholt. Warten. Kurze Gespräche der Bewaffneten. Bobits wollte die Frau neben sich beruhigen – ein knappes ‚Shut up!‘ des Bewaffneten brachte ihn zum Schweigen. 2.07 Uhr: Bobits wurde aufgefordert den Wagen zu starten und den beiden Fahrzeugen der Gendarmerie zu folgen. Sie fuhren zu einem grell erleuchteten Teil des Rollfeldes und er sah eine winzige Sportmaschine, daneben weitere Autos. Wie würden die Bewaffneten darauf reagieren? – mit diesem winzigen Flugzeug  in die arabische Welt? Tatsächlich, die Bewaffneten stiegen aus – nahmen sofort zwei Geiseln aus der Gruppe und bestiegen das Flugzeug. Er sah, dass einer der beiden Bewaffneten die erleuchtete Kabine des Sportflugzeuges durchsuchte. Der andere hielt die Waffe auf die beiden Geisel und die Piloten gerichtet. Kein Ende der Geschichte? Dann, die Türe des Flguzeuges ging auf, die beiden Geisel duften das Flugzeug verlassen. Die Cessna nahm Fahrt auf und fuhr Richtung Startbahn.

2.20 Uhr: Bobits startete den Motor des Pritschenwagens und fuhr zum Flughafengebäude. Beim Aussteigen mussten ihn Kollegen stützen – er war am Ende seiner Kräfte. Er hörte noch, wie die alte Frau sagte: ‚Dank Eich, Ihr lieben Leit‘ als sie aus der Fahrerkabine gehoben wurde.
Das Transitlager Bad Schönau wurde am 12. Dezember 1973 geschlossen. Als Ersatz wurde in der Babenberger-Kaserne Wöllersdorf die „Hilfestelle Wöllersdorf des Landesverbandes des Roten Kreuzes Niederösterreich für Flüchtlinge und andere Durchreisende“ eingerichtet. De facto trat für die aus der Sowjetunion Emigrierenden somit keine Verschlechterung ihrer Betreuung in Österreich ein.


Epilog:
Die Gruppe junger Schweizer im Zug nach Bratislava war unterwegs zu einer Technoparty bei Martin. Fröhliche junge Leute. Der eine Junge meinte, ein Gärtner zu sein. Als sie gemeint hatte, dass Techno und Tanzen in ihrem Alter und mit ihrem Rheuma nichts mehr sei, hatte er ihr Marihuana empfohlen. Sie hatte lachend abgelehnt – ihr Sohn rauchte zwar, aber auch das sei für sie nichts mehr. Das Leben der Jungen – bunt und lustig.
Als sie damals im September 1973 nach Moskau zurückgekehrt war, hatte sie in einer alten Ausgabe der Izvestija vom 29. September 1973 von der Geiselnahme gelesen. Davon, dass die  Regierung beschlossen hatte, das Lager Schönau zu schließen. Eben jenes Lager hatte der alte Mann im Zug damals auf ihrer Heimfahrt von Moskau als die wichtigste Station erwähnt.

Quellen
Riegler Thomas (2011), Im Fadenkreuz: Österreich und der Nahostterrorismus 1973 bis 1985, Vienna University Press, Wien 2011.
StödnerMonika (2003), Jüdische Emigration aus der Sowjetunion

Dank
Alena Jereščenková für die Geschichte aus dem Leben ihrer Mutter

"Für mich ist es ziemlich egal, mit welchen Mitteln ein Film arbeitet, ob er ein Schauspielerfilm ist mit inszenierten Bildern oder ein Dokumentarfilm. In einem guten Film geht es um die Wahrheit, nicht um die Wirklichkeit."
Sergej Eisenstein, 1925