FREITAG

Stefan Wurst

war gestern.


Aus, fertig, Ende.

Ja, das ist der Text, der eingereichte.

Ja, echt; das war´s.

Wohltuend kurz, nicht wahr?
Nach all der ausgeuferten Epik der letzten Jahre. (Ist ja schließlich keine Kunst, den Krachmann zu gewinnen, wenn man die Jury mit endlosem Verbalmüll einlullt. Irgendwann driften sie weg, unsere ­honorigen Juroren, denken an wer-weiß-was, Esperanto, Volapük, Hämorrhoiden, Politik oder das nächstjährige Krachmann-Thema, und wenn sie dann am Ende des Vortrags aufwachen, ob der plötzlichen Stille, plagt sie das schlechte Gewissen – hui, was denn, hab ich jetzt geschlafen? Echt? Peinlich. Arg. Na, da hab ich sicher was ganz, ganz Tolles versäumt!
Bei der Beratung dann gibt natürlich keiner zu, was er alles verpasst hat und votiert daher vehement für jenen Beitrag, bei dem er am längsten geschlafen hat. Jaja, so ist das.)

Daher die überschaubare Länge meines heurigen Textes: „Freitag – war gestern.“

Mehr wäre einfach weniger.
Und – natürlich unvorgreiflich der Jurybeurteilung:
Der Text ist doch wirklich von bestechender Klar-, Schön- und Reinheit.

Überdies spricht auch seine unwiderlegbare Richtigkeit für ihn.
Zumindest heute – und an allen sonstigen Samstagen – früheren wie künftigen.

Was natürlich die Frage aufwirft, ob es immer schon Samstage – und (um beim Thema zu bleiben) auch Freitage – gegeben hat.
Heute geht man ja davon aus, dass es die Sumerer und die Babylonier waren, die die siebentägige Woche erfunden haben. Genauer gesagt, dass Sargon der Erste, König von Akkad, um 2350 vor Christus, nachdem er Ur und die anderen sumerischen Städte bezwungen hatte, eine 7-Tage-Woche einrichtete. Das ist jedenfalls die erste, von der wir Aufzeichnungen haben. (Wobei sich mir die Logik der Angelegenheit nur bedingt erschließt: Erst ein paar Städte unterwerfen – dann die 7-Tage-Woche einführen. Aber, – na bitte!) Die einzelnen Tage benannten man nach den ohne Teleskop sichtbaren Wandelsternen des damals (und dann noch ein wenig zu lange weiterhin in Mode ge­bliebenen) geozentrischen Weltbilds (Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn).

Der Einfachheit halber fungierten diese Sterne auch gleichzeitig als Götter.
Das haben dann die Griechen und die Römer – ebenfalls der Einfachheit halber – übernommen.
Im 4. Jahrhundert benannten die Germanen diese Namen nach den Namen der den römischen Göttern ungefähr entsprechenden germanischen um. Dann kamen die Christen und krempelten den Krempel noch einmal ein bissl um. Gregorianischer Kalender 1582, von allen Regierungen dieser Welt anerkannt, blabla, wissen wir alles, – eine Erfolgsgeschichte.

So weit, so gut!

Was aber war vorher?
Gab es eine 7-Tage-Woche? Und noch wichtiger: Gab es Freitage? Und vor allem: Ab wann?
Nun, im Zuge meiner für den Krachmann angestellten Forschungen, die mich in die Bibliotheken der namhaftesten Universitäten auf ­diesem und leicht erreichbaren anderen Planeten geführt haben, (das nur nebenbei), sind mir Belege – und ich sage nicht schriftliche Belege, aber Belege – in die Hände gelangt, die darauf schließen lassen, dass die Wochentage – und somit auch der Freitag – weit älter sind, als man bisher angenommen hat: So dürfte es mit großer Wahrscheinlichkeit bereits um das Jahr 172.450 v.Chr. (übrigens auf Initiative des Freitags) zu einem von solidarischen Zielsetzungen getragenen ­Treffen der Wochentage gekommen sein.
In dessen Verlauf wurde trotz der mit beachtlicher Beharrlichkeit ­vorgetragenen Einwände des immer schon leicht querulatorischen Mittwochs mehrheitlich die Gründung eines Dachverbandes be­schlossen.

Der Streit über die Rechtswirksamkeit dieses Beschlusses dauerte ­übrigens etwa 113.000 Jahre an, bis man sich dann darauf einigte, die fehlende Anführung des Antrags auf Gründung eines Dachverbandes in der Tagesordnung der damaligen Sitzung als geheilt anzusehen; als sozusagen verjährt.

Der Dachverband wurde „Woche“ genannt und war auch gleich sehr populär, vor allem, da man zunächst keine Mitgliedsbeiträge einhob: Es bildeten sich dann auch rasch weitere Dachverbände für andere Wochentage, die dann die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten hatten. Das war insofern wichtig, als man sich bei den dann natürlich periodisch abgehaltenen Kongressen näher zu kommen begann: Dann noch näher, schließlich wurde man intim und – wie in solchen Fällen zu erwarten – vermehrte sich.
In logischer Folge gründeten die Wochen einen weiteren Dachverband, diesen nannten sie „Jahr“. Bald beschwerten sich die Mitglieder über die schlechte Überschaubarkeit der Strukturen und die Abge­hobenheit der Funktionäre. Insbesondere die Wochentage, speziell der immer schon etwas auffällige Freitag, verlangten nach mehr Transparenz und grün bemalten Radwegen. Experten wurden befragt, Gutachten erstellt, letztlich empfahl man die Einrichtung einer Kommission. Diese tagte ausgedehnt und erfand eine mittlere ­Führungsebene. Von dieser sollten die Interessen der Tage und der Wochen gleichermaßen vertreten werden: So entstanden die ­Monate, aus denen sich dann die Arbeiterkammern und die Gewerkschaften entwickelten. Diese bevorzugten vor allem den Samstag und den Sonntag, während die anderen Wochentage, insbesondere der Montag, der Dienstag, der Mittwoch und der Donnerstag deutlich diskriminiert und praktisch nie in entscheidende Führungspositionen gewählt oder mit Bonuszahlungen bedacht wurden. Der Freitag nimmt in den letzten Jahren zunehmend eine Zwitterstellung ein, da seine Nachmittage mehr und mehr Wohlgefallen erregen. Der Wahlspruch „Die ersten fünf Tage nach dem Wochenende sind die schlimmsten“ wurde aktualisiert auf „Die ersten viereinhalb Tage nach dem ­Wochenende sind unzumutbar“.

Da mit diesen Ausführungen die Entstehung und die stetige Weitervermehrung der Zeit, der Arbeiterkammern und der Gewerkschaften erklärt und somit der jedem Krachmann-Beitrag innewohnende Volksbildungsauftrag erfüllt ist, schließe ich hier schweren Herzens und wünsche der Jury, indes aber nicht im gleichen Ausmaß den ­anderen Krachmännern, gutes Gelingen.