Jurystimmen

von Stephan Eibel Erzberg, Vitus Weh und Dr. Elmar Schübl

Krachmann 2015


Eisengraberamt, Oktober 2015 – der 11. Krachmann im Waldviertel!
Viel Tradition und doch war diesmal etwas ganz anders: die Zusammensetzung der dreiköpfigen Jury. Horst Christoph hatte bereits im letzten Jahr seinen Rückzug bekannt gegeben, Daniel Ranners Rückzug erfolgte im vergangenen Sommer. Zwei verdiente Mitstreiter standen somit nicht mehr zur Verfügung. Horst durften wir als vergnügten Zuhörer begrüßen, den Juryvorsitz hatte Stephan Eibel Erzberg übernommen und Vitus Weh stieg ebenfalls neu in den Ring. Mit dem erfahrenen und brillanten Elmar Schübl war das neue loichtende Dreigestirn am krachmannschen Firmament komplett.

Günter Nowak
Bei anhaltendem Atem der Anwesenden und aller herumschwebenden Geister und Geisterinnen verleiht der groß gewachsene und wortgewaltige Juror Vitus Herrn Professor Nowak für seinen profunden Text über die Historie der freitäglichen Wirtschaftskrisen den Nobelpreis für Ökonomie. Den geneigten Zuhörern den Zusammenhang zwischen Gilt (Schuld) und Geld, sowie zwischen pekuniär und viehmäßig aufzuweisen, ist aller Ehren wert!
Elmar, der Juror mit Gespür für Zusammenhänge und Geschichte, meint: Umfassender kann man das diesjährige Thema nicht behandeln.
Stephan: Der Text zeigt unsere Suche nach Haltegriffen und erinnert mich an Paul Feyerabends Schrift „Wider den Methodenzwang“. Im Auftrag der hochgeschätzten Juroren darf ich sagen: der Text zeigt den großen Wunsch von uns Menschen, bzw. von vielen Menschen, eine Struktur ins Leben zu bringen. Eine Erklärung der Abläufe zu finden, wobei später die Erklärung zur Tradition wird, in der wir stehen, sitzen, liegen. Außerdem hat uns der Text geschenkt, was wir uns wünschen: Bildung.
Bei der Siegerehrung erhielt der Autor für diesen Text den verdienten Welt-Lotsen-Preis in Form eines original Wiener Straßenbahn-Kapperls.

Christian Ondrak
Vitus: Der Text handelt vom Zirkus und der hypnotischen Kraft eines Magiers. Analog wird auch der Leser vom hypnotischen Ton des Textes völlig in den Bann gezogen. Das ist großartig formuliert! Ich persönlich hätte mir allerdings eine andere Auflösung gewünscht als die vorgeführte Vollbremsung durch Wiener Schnoddrigkeit.
Elmar: Gut auf den Punkt gebracht. Nämlich selbst auf einer Reise zu sein.
Stephan: Ich schließe mich den beiden Jurorenkollegen an und füge hinzu: Panik! Mehr Panik! Große Panik!

Michael Drucker
Elmar: Es handelt sich um einen beeindruckenden, vielschichtigen Text. Auch hier hätte ich mir ein HAPPY END gewünscht.
Vitus: Die Erzählung hat eine Hauptfigur mit dem Namen Karl. In Karlwoche klingt die Karwoche an, und in der Tat ist es eine große Leidensgeschichte: Es stirbt Karl Abbonotta, es stirbt die Putzfrau, es stirbt der Zeitungskolporteur. Nur die Radioweckererzählung ist eine Geschichte für sich. Analytisch gesehen, ist es eine Erzählung, die dekonstruiert wurde. Die Erzählerposition bleibt merkwürdig unklar.
Stephan: Danke sehr den Juroren für ihre kurze Analyse. Für mich zeigt der Text: der Himmel ist das Wochenende.
Michael Drucker, längst ein Meistererzähler der Waldviertler Runde, wurde bei der Siegerehrung in diesem Jahr der Starpreis zuerkannt.

Stefan Wurst
Vitus: Der Auftakt-Satz „Freitag war gestern“ ist so lapidar wie für den Zeitpunkt der Lesung unbedingt zutreffend. Damit hätte es der Autor auch bewenden lassen können. Der Krachmann-Preis für Effizienz wäre ihm sicher gewesen. Und doch gönnte uns der Autor danach noch ein Meisterwerk der Fabulierkunst. Sehr, sehr gut, danke!
Elmar: Die zehn Jahre Krachmann sind nicht spurlos vorüberge­gangen, wunderbar wie sich in diesem Text der Bogen spannt.
Stephan: Abgesehen von Stefan Wursts Text, ist sein Vortrag ein Geschenk!
Stefan Wurst erhielt den diesjährigen „heimlichen“ Krachmann-Preis als großes Ehrenkreuz in Form des Waldviertler Freundschaftsverdienstordens am schmucken Band.

Christian Weimann
Elmar: Es ist beeindruckend, wie es Christian Weimann gelingt, vor dem uns vertrauten katholischen Hintergrund das herausfordernde Thema „Freitag“ kritisch zu betrachten und dabei eine dem General­thema angemessene Sprache zu finden.
Vitus: Ich habe gerade einer geradezu kosmologischen Revision gelauscht. Dass das ganze Unglück in der Welt nicht die Schuld der Menschen ist, sondern Gottes genervte Reaktion auf seine nörgelnden Engeln und einen höhnenden Luzifer, möchte ich durchaus als Entlastung sehen.
Stephan: Ja, im Text hat auch Gott sein Packerl zu tragen.

Stefan Loicht
Vitus: Der Text ist stark mit der Stimme und der Stimmung des Autors durchzogen. Es ist ein Glücksfall, dass wir ihn vom Autor selbst hören durften. Das war sehr gekonnt. Der Text selbst hingegen ist ein manisch-depressives sich im Kreis Drehen, Fidelio Freitag und die Freiwillige Feuerwehr haben darin tatsächlich die gleichen Initialen. Es ist eben der Freitag, der immer wieder kommt. Es ist nicht der Karfreitag, der alles entscheidet. Was bleibt, ist die Stimme. Der Text ist mächtig!
Elmar: Der Text spiegelt die stets neue krachmannsche Herausforderung wider. Er zeugt von Mut und ausgeprägtem Reflexionsvermögen.
Stephan: Für mich bringt der Text auch die Einsicht über Meinungen. Sie sind verschiebbar und nicht so wichtig. Welche Schlussfolgerungen die Meinungen nach sich ziehen, kann zur normativen Kraft des Faktischen werden.

Reinhard Mechtler
Elmar: Es ist eine Geschichte, in der Sympathien dem Fleischermeister gelten. Er bekommt sein Fett aufgrund einer Modeerscheinung ab. Er bewahrt Haltung, ein Held des Alltags.
Vitus: Das ist eine ganz gerade erzählte Geschichte. Diese aufrechte Haltung des Textes entspricht auf den ersten Blick dem Versuch des Fleischermeisters Ambrosi, Haltung und Würde zu bewahren. Dabei ist er doch nur sprachlos und wird gerade übermannt von seinen Frauen.
Stephan: Das Einfühlungsvermögen des Fleischermeisters, der das Lieblingsschwein seiner Tochter tötet und zerlegt usw. zeigt Nulleinfühlungsvermögen. Er hat ein eigenes Programm laufen. Aber siehe da, hurra, irgendwie versteht er, will Gutes tun und es gelingt auch. Nur verbal kann er es nicht ausdrücken, was auch nicht so wichtig. Wichtig ist die Tat, und die setzt er.
Bei der Siegerehrung erhält Reinhard Mechtler den Nibelungenpreis am Bande. Juror Vitus begründet den Preis mit der stupenden Tapferkeit, die der Text im Angesicht des ewigen Geschlechter­kampfes vorführt.

Wolfgang Pokieser
Vitus: Der Text ist ein hübsches Dramolett zur aktuellen politischen Situation. Der Freitag tritt hier nicht als Wochentag auf sondern als der Wilde / der Fremde aus Robinson Crusoe.
Elmar: Der gelungene Text erinnert an bedeutende literarische Bei­-
träge aus der Zeit des Vormärz.
Stephan: Bis zum Epilog ein Dramolett allerhöchster Klasse. Komplett literarisch.

Bernhard Mitterer
Vitus: Wo zu späten Stunden sich so noch Sätze runden, wo Wörter sich verdichten, will ich nicht richten.
Elmar: Da kommt eine poetische Note rein, die neu bei Bernhard Mitterer ist. Das finde ich schön, dieses Bilderentwerfen mit lyrischem Ton.
Stephan: Ja, da stimme ich sehr zu. Es ist was Gewagtes.

KRACHMANNPREIS
Stephan: die Jury hat es sich nicht leichtgemacht und einfach den Preisträger gewürfelt. Alle Texte waren preiswürdig. Ausnahmslos. Trotzdem musste entschieden werden. Dank Elmars Kenntnis der Geschichte über den Krachmannpreis und seiner profunden Kenntnis der Textschöpfer und Dank der vitalen und klaren Kraft von Vitus sind die Entscheidungen gelungen. In der Jury herrschte Einstimmigkeit über alle Preisträger. So auch über den Text von Bernhard Mitterer, den diesjährigen Krachmannpreisträger.
Nicht das Reimen war für die Entscheidung der Jury entscheidend oder gar bedeutend. Reimen kann innerhalb weniger Tage erlernt werden. Mut nicht. Das dauert länger. Aber die lyrische Form eignet sich trefflich für das herstellen einer inneren Harmonie, die wir uns wünschen und uns öffnet für Mitgefühl.

Gregor Zentner
Vitus: Der Text mäandriert in einem Sprachfluss und einer Wort­gewalt, wie ihn schon Thomas Bernhard selig pflegte. Für das Beobachten der zeitlichen Moden von Vegan bis Joga und von Freitag bis Freitagstaschen passt das wunderbar!
Elmar: Gregor Zentners Beitrag besticht durch Weite und Tiefe. Dransein am Leben.
Stephan: „… dass man mit einem Lächeln immer gut durchkommt“ oder „...alles zwischen Krafttier und Yoga“ sind Sätze, die erfrischen, mich jedenfalls. Der Text ist in Bewegung, bewegt etwas, so wie alles etwas ist, das wir kennen, jedenfalls die Väter oder Mütter und alle anderen sich vorstellen können. Auch darüber lachen können. Dafür ist Dank abzustatten dem Verfasser. Unbestritten ein Text, wozu gejubelt werden kann.
Bei der Siegerehrung erfolgte der Jubel in Form eines passenden Girls-T-Shirt, das als Auszeichnung an Gregor Zentner in dieser denkwürdigen Oktobernacht des Jahres 2015 ging.