FREITAG

Wolfgang Pokieser

Eine Insel. Ein Wiener auf Reisen trifft auf einen Eingeborenen und spricht ihn an. Dieser kann nicht flüchten und muss sich der Kommunikation stellen. Der Wiener hat einen guten Schmäh denn er hat schon Weißbier getrunken.

„Du Freitag, ich Robinson. Ja eigentlich nur Robin. Robin Wopraschalek.“ Robin lacht „Du bist von da, oder?“
Freitag nickt.
„Verstehst du deutsch?“
Freitag nickt.
Robin: „Mein Deutsch a? Des is a bissl Wienerisch“
Freitag nickt.
Robin: „Warum?“
Freitag nickt.
Robin: „Ah doch net.“
Freitag: „Ich habe in Wien am Reinhardseminar studiert.“
Robin: „Dann verstehst mich eh. Warum bist nimma in Wien?“
Freitag: „Als Neger kann man in Wien nur Othello spielen“
Robin: „ Und was spielst da?“
Freitag: „Othello“
Robin: „Wien is jetzt a Wahnsinn. So viele Ausländer. Die Türken und Jugoslawen sowieso. Und jetzt die Syrer. Echt arme Teufel. Das hätt ich mir auch nicht träumen lassen, dass die Wiener zu Fremden so nett sein können.“
Freitag: „Ich mir auch nicht.“
Robin: „Aber Falotten sans a, die Syrer. Mir hat ein Freund erzählt, dass ein Busfahrer ihm erzählt hat, sie picken in seinem Bus die Wurschtradln an die Decke, so undankbar sind die Syrer. Die solln doch froh sein, dass endlich was zum essen haben.“
Freitag öffnet den Mund, sagt aber nichts.
Robin: „Also so schlecht kanns denen ja nicht gehen, wenn alle ein Handy haben. Und dann schmeckt ihnen das Essen net. Zu vü ­Moslems sind nicht gut für Österreich, wir sind ja ein christliches Land.“ Robin schließt die Augen und atmet tief durch „Bitte sag ehrlich Freitag. Was brauch ma Burkas? Des is ja diskriminierend gegen die Frauen. Und anschauen kann mas ah net, die arabischen Frauen. Manche sind ja eh fesch. Und mit da Burka sehns nix aussi,
is ja a gfährlich im ­Straßenverkehr.“ Er verzieht das Gesicht „Und Schläfer, vü von de Wirtschaftsflüchtlinge san sicher Schläfer. Dann geht´s rund in Österreich.“ Robin verdreht die Augen, greift sich an sein Herz und fällt wie ein Sack zu Boden. Er zuckt noch ein wenig bevor Freitag mit der ­Reanimation beginnt.
Freitag war ausgebildeter Sanitäter und beginnt mit der Reanimation. Mit ruhigen regelmäßigen Bewegungen wurde Robin Wopraschalek Leben eingepumpt.
Es war ein guter Freitag.
Als Robin Wopraschalek die geröteten Augen öffnete, sah Freitag nicht nur das Leben in Robins Augen. Plötzlich sah er auch das Wiener Gift und die Wiener Galle. Robin Wopraschalek, irgendein Robin ­Wopraschalek, ein Mensch. Und doch immer wieder dasselbe oberflächlich dämliche Geschwätz. Das unbewusst Bösartige. Warum sind viele Wiener so? Das konnte sich Freitag nicht erklären. Sie wissen nicht wie gut es ihnen geht. Freitags Mutter war bei der Flucht ertrunken und Robin schwafelt von Schläfern.
„Bist du deppat“ ächzte Robin, der nach seinem plötzlichen Herzstillstand wieder in die bayrische Sonne blinzelte. Da spürte er die ruhige feste linke Hand Freitags auf seinem Mund.
„Was tust du da?“ wollte er fragen, doch die Worte quälten sich ­zwischen Speichel und Freitags Fingern nur mühsam, wie ein sterbendes Tonband, aus seinem Körper. Dann hielt Freitags rechte Hand ihm mit zwei Fingern die Nasenlöcher zu. Robin versuchte die Hände von seinem Gesicht zu reißen, doch Freitag war jung und stark.
„Ich hätte ihn nach seinem echten Namen fragen sollen“, dachte ­Robin Wopraschalek. Es war sein letzter Gedanke.
Okuwengu ging zum nächsten Biergarten und sagte dem Wirt, er ­solle einen Arzt anrufen. Es dauerte etwa 20 Minuten bis der Arzt auf der Herreninsel eintraf. Robin war an einem Herzinfarkt verschieden.
Es war kein guter Freitag. Zumindest nicht für Robin Wopraschalek.