72 Jungfrauen

72 Jungfrauen

von Christian Ondrak

 

 

„Verzeihen Sie, aber unser Etablissement öffnet erst in 2 Stunden. Sie wollen die Dienste eh nicht in Anspruch nehmen? Was wollen Sie dann? Ned sagn´s Sie san a Keiler. Ah eh ned. Ein paar Fragen stellen wollen´s. A so. Für Finanz oder Kripo schaun´s ma aber a bisserl jung aus. Sie sind

 

Publizistikstudent und stellen Material über Lokalitäten wie dieses hier zusammen. Ein Puffführer gibt´s schon, des wissen´s eh? Sie wollen mehr die Geschichte und Geschichten abbilden. Na guad. Wissen´s was, kommen´s erst amoi rein. So gesehen ham´s Glück, dass ich heut da bin. Ich bin in dem Haus schon seit einer Ewigkeit tätig. Heutzutag komm ich halt mehr zum Spaß, ich bin schon längst im Ruhestand. Ang´fangen hab ich seinerzeit als Rausschmeißer, wenn sich einer von den Gästen bei den Damen daneben benommen hat. Ich hab´ ja boxt ois a Junger. Berühmt bin i nie g´worden, aber ein gutes Training war´s und für da hat´s g´reicht. Später hab i dann auch an der Bar ausg´holfen. Cocktails mixen, den Champagner auf die Separee bringen. Im Laufe der Zeit bin ich dann halt sowas wie ein Concierge geworden. I geh durch die Zimmer und schau dass alles ordentlich und sauber ist, ob alle ausreichend Präservative haben und Handtücher, oder dass genügend Spielzeug in der strengen Kammern liegt. Ja sicher gibt´s die wirklich. Wir haben auch andere Themenzimmer. Das Büro zum Beispiel. Wos? Gehen´s hearn´s auf, Sie haben ja gar ka Fantasie. Da legt der Chef die Sekretärin am Schreibtisch flach. Das wollen meist die Gäste mit kleinem Ego. Wir haben auch einen sehr schönen Untersuchungsraum. Ja genau, Arzt und Patient, oder Patientin. Is ja ned aso. Hier darf jeder seine Vorlieben ausleben. Natürlich nur wenn jeder freiwillig mitmacht. Wollen´S auch einen Kaffee? Ich mach mir jetzt einen Espresso. Eine Melange? Ja, ist in Ordnung, bring ich Ihnen.“

 

 

„der Name 72 Jungfrauen? Naja 72 ist die Hausnummer. Warum Jungfrauen könnte Ihnen nur der Gründer dieses Betriebes sagen und der is schon lang tot. Uns gibt´s scho seit 150 Jahren. Vergessens des Moulin Rouge. Bei uns ham schon die Mata Hari und die Mutzenbacher ihre Kundschaften verwöhnt. Was? Doch die hat´s geben. Jo i was, des ist ein verbreiteter Irrglaube. Sogar die Schratt hat ihren heimlichen Geliebten hier getroffen. Ned den Franz Josef, der hat ganz andere Möglichkeiten g´habt. An Grafen Wilczek. A einiges an Prominenz hat sich hier von Zeit zu Zeit ein Zimmer gemietet um ungestört von Ehefrauen oder Männern Ihren amourösen Abenteuern zu frönen. Die Politik is a immer gern vorbeikommen. Ned nur zum schnackseln. Die haben sich hier auch gerne für Absprachen getroffen. Sie wissen schon: Diskrete Seiteneingänge und Fotoapparate sind nicht gestattet. Super für solche Leut. In den Siebzigern war gern der Herr Proksch da mit seiner ganzen Partie, dem 45er Club. Na der mit der Lucona, des Schiff das er versenkt hat. Sie kennan die G´schicht ned? Sie wollen a Publizistikstudent sein? Der hat´s immer krachen lassen. Was da an Koks weggegangen ist… An dem Tisch da drüben sind´s meist g´sessen, bevor er mit den Damen aufs Zimmer gangen ist. Lange her.“

 

„Passen´s auf! Trinken´s ihren Kafee aus und begleiten´s mich. Ich bin mit meiner Zimmerrunde no ned ganz fertig. Da sehn´s a glei unser Folterkammer. Die erinnert mich an unsere Schwester Agathe. Die hat die Kammer alle 14 Tage für eine Nacht gemietet und dort Ihr Kundschaft empfangen. Immer ganz züchtig im Habit einer Benediktinerin. I hab´ immer glaubt des is nur a Verkleidung, bis sich eines Tages ein Kaplan das Popscherl versohlen lassen wollte und sie erkannt hat. Aber nicht gleich. Sein Pech, sie hat ihn früher erkannt, da war er schon gut verschnürt und nach ihrem Spezialservice zu schließen glaube ich, sie kannte ihn näher als ihr lieb war. Sie ist dann stiften gangen und wir sind ned gleich draufkommen, dass da was ned stimmt. Natürlich hat er´s überlebt. Aber niedersetzen kann er sich wahrscheinlich heut no ned richtig.“

 

„Ihnen is schwindlig? Setzen Sie sich da her. Was? Nein, kein Problem. Was ich da mach? Na, ich schnall Sie am Sessel fest, damit´s ma ned obe foin. I hab scho glaubt die Pulverl im Kaffee wirken gar nimmer. Was das soll? Naja, zum einen kann ich Schreiberlinge nicht leiden. Da hab´ ich so meine Erfahrungen. Die drahn einem gern das Wort im Mund um. Aber eigentlich: Wissen´s, mit der Freiwilligkeit vorher hab´ Ich ein bissl g´logen. Wir haben Kundschaften die zahlen ned schlecht für sowas und es wirklich nix Persönliches. Aber G´schäft is G´schäft.