Vorwort

Vorwort

Buchstabenreise nach Krachmannland

von Wojciech Czaja

 

Der Zufall wollte es so. Ich kenne eine Handvoll Menschen aus dem niederösterreichischen Landkartenkaff Eisengraberamt, und alle von ihnen sind entweder Künstler oder vollkommen durchgeknallt. Stefan Loicht ist beides. Wir arbeiten seit vielen Jahren zusammen, und Jahr für Jahr hat der Typ, der 1968 geboren ist und bereits in 33 unterschiedlichen Jobs tätig war, eine neue Überraschung für mich parat. Die letzte grande surprise war die Organisation und Patronanz des sagen- und magenumwobenen Krachmann-Preises, der 2016 bereits zum zwölften Mal belesen, bewertet und bejubelt wurde.

 

Über das heuer vorgegebene Literaturthema der 72 Jungfrauen (mir blieb der Mund offen, bitte nicht missverstehen) brauche ich nicht viel zu sagen. Siehe dritter Satz dieses Vorwortversuchs. Das können die Initiatoren und Juroren um Sex mal Dutzend Welten besser. Das gleichermaßen interdisziplinäre wie interspirituelle Thema beweist, wie frei der Geist in Stefan Loichts Haus – und damit stellvertretend für das kulturelle Klima im Eisengraberamt – beschaffen ist. Und er gibt Einblick, wie gleichermaßen erfreulich und erkenntnisreich sich die Buchstabenreise in Ingeborg Bachmanns Schatten gestaltet.

 

Die heuer eingereichten Texte handeln von Bazaren, Touristen und Datteldodeln, sie erinnern an Soap-Operas, Monthy Python und The Doors, sie sind magisch, meisterhaft und monströs. Da kann es schon einmal passieren, dass Mohammed in einem Wiener Bordell landet oder ein wenig hübsch anzusehender, zerfetzter Selbstmord-Attentäter durch die Himmelspforte migriert und den Text in zwei Stücke reißt. Neben all der explosiven Kraft nämlich lassen die Juroren Härte und Strenge walten. Mitunter kreiden sie den Texten esoterische Klischees, orientalische Träumerei und literarisches Flachland an. Das ist Kritik am Wahnsinn.

 

 

Stefan Loicht, danke für die so beständige Veranstaltung des Krachmann-Preises und für Deine unermüdliche Indiehandnahme und Schaffenskraft des multikulturellen Mikroklimas am ADW. Solche Impulse braucht die Welt. Heute mehr denn je.