Rote Plätze Ein Märchen

Rote Plätze

Ein Märchen

Christian Ondrak

 

Es war einmal……. oder es ist oder, es wird sein. Völlig egal. Auf jeden Fall gibt es eine Prinzessin, oder zumindest eine überaus fesche junge Frau, die als Prinzessin durchgehen kann. Lebt in einer Villa in der besten Gegend, reiche Eltern, Personal (Gärtner und Putzfrau halt) durchaus gebildet, aber… naja malt Euch einfach eine Prinzessin aus, wie ihr sie haben wollt, das reicht aus, für´s erste. So, die Prinzessin ist hiermit in die Geschichte eingeführt, lasst uns jetzt zum Prinzen übergehen, oder zumindest den möchtegern Prinzen. Denn unser, hm, sollen wir ihn Held nennen? Ist weder reich noch sonst irgendwie besonders herausragend außer in einem. Er ist ein recht begabter Maler. Kein Maler und Anstreicher, wie ihr wohl schon ahnt, sondern ein Künstler. Ein angehender akademischer Künstler. Student an der Akademie der bildenden Künste und wie schon erwähnt durchaus nicht unbegabt. Aber Sonst nicht sehr prinzenhaft. Erscheinungsbild eher grauer Mäuserich. Außerdem schüchtern, weil Stotterer. Nicht sehr schlimm, aber immer dann wenn er nervös oder unsicher ist. Eine gute Kombination und damit ist unser Held auch mit 25 Lenzen noch ungevögelt, verzeihung, Jungfrau. Natürlich auch keine reiche Verwandtschaft. Vater unbekannt, Mutter frühzeitig verstorben, ein Leber-problem, so munkelt man. Das bedeutet jede Menge Nebenhacken um sich das Studentenleben und ein kleines Atelier in einem Keller zu leisten. Viel ungünstiger geht´s kaum (das Licht, ihr versteht?), aber immerhin, es ist billig. Regale schlichten im Supermarkt, Botenfahrten, Rasen mähen, Pizzalieferant, Karten-verkäufer im Pornokino nebenan um nur die wichtigsten zu nennen.

 

Nachdem jetzt eine ganze Menge Klischees überreichlich bedient wurden, könnt Ihr, liebe Leser, Euch bestimmt vorstellen, wie es weitergeht. Richtig! Die Prinzessin und der möchtegern Prinz irgendwann, irgendwo und irgendwie über den Weg.

 

Für Ihn: Liebe auf den ersten Blick. Eine Göttin. Die Anmut, die Gestalt, die Augen, die Beine, der Gang…. Wo anfangen wo aufhören? Perfekt, einfach perfekt. Zumindest für ihn.

 

Für Sie: Der nächste verklemmte, schmähstade Spanner, der ihr nur auf die Titten und in den Schritt starrt und in einer Phantasie bereits sämtliche Körperöffnungen penetriert, während ihm ein Speichelfädchen aus dem Mundwinkel entfleucht. Zumindest für Sie.

 

Der Ort an dem diese denkwürdige Begegnung stattfindet wird der erste rote Platz. Während sie versucht, die Begegnung mit dem gruseligen Typen zu vergessen, überlegt er, wie er sie beeindrucken kann. Ein flammendes Liebesgedicht fällt eher aus. Es soll ein Gemälde werden, ein Tryptichon. Den Titel dem er dem Gemälde geben wird kennt er schon: Liebe. Die Farbe auch: Rot. Sorgfältig wählt er die Farbe. Heimlich nachts arrangiert er an diesem magischen Ort die drei Leinwände. Jede 2 ½ mal 1 m groß. Niemand sieht ihn, während er sein Werk aufstellt.

 

Die Reaktionen sind beträchtlich. Lokale Zeitungen, Radio und das Fernsehen erstatten Bericht über einen geheimnisvollen Künstler, der scheinbar irgendeine, nicht ganz eindeutige, Botschaft vermitteln will.

 

Nicht viel später, wie es der Zufall so will, laufen sich der möchtegern Prinz und die Prinzessin wieder über den Weg. Er lächelt sie freundlich an, sie abgelenkt durch ein Telefonat, lächelt gleichzeitig wegen des Gesprächs, aber eben nicht zurück. Für ihn trotzdem ein Zeichen.

 

Zeit für das zweite Tryptichon. Wieder soll es blutrot werden und wieder wählt er die Farbe mit bedacht. Das zweite Bild soll Hoffnung heißen und natürlich stellt er es wieder am Ort dieses zweiten Zusammentreffens auf. Der zweite rote Platz. Heimlich natürlich, niemand soll ihn sehen.

 

Das Medienecho ist jetzt sogar noch stärker als nach dem ersten Gemälde. Er ist sich jetzt sicher, ihre Aufmerksamkeit gewonnen zu haben. Beim nächsten Treffen wird er sie Ansprechen. Der richtige Zeitpunkt ist gekommen. Bis dahin träumt er weiterhin von ihrem Lächeln, obwohl er bis jetzt weder weiß, wie sie heißt, noch wo sie wohnt. Das ändert sich aber bald.

 

Was soll ich Euch sagen? Der gute, alte Bruder Zufall hilft ein noch einmal aus. An diesem Abend liefert er Pizzen aus. Eine Mamma Mia, scharf, eine Spinaci mit Knoblauch, eine Al Capone und eine Quattro Formaggi. Eine Adresse im Villenviertel. Er fährt die Einfahrt hinauf, erklimmt die Stufen zum Portal und seine Angebetete öffnet. Sie erkennt in dem Pizzaboten sofort den gruseligen Spanner von neulich wieder. Als sich ihre Blicke begegnen, entgleisen die Gesichtszüge der Prinzessin in Richtung Ekel. Das bemerkt auch der möchtegern Prinz und er erkennt in diesem Augenblick, dass seine Sehnsüchte, Wünsche, Träume und Hoffnungen mit einem Mal zerschellen.

 

Nun, die Pizzen sind abgeliefert und er weiß, was er jetzt malen muss. Verzweiflung, so wird das dritte Tryptichon heißen. Auf-stellen wird er es in ihrem Vorgarten. Der dritte rote Platz. Das rot für dieses dritte Bild ist rasch gefunden.

 

Diesmal gehen die Reaktionen über die lokalen Medien hinaus. Auch die Internationale Presse berichtet jetzt über den gefährlichen Irren der Leute ausblutet und mit dem Blut Gemälde herstellt. Der Zusammenhang mit dem Pizzalieferanten ist rasch hergestellt und so prangt auch ein hübsches Phantombild in den Zeitungen.

 

Der nicht einmal mehr möchtegern Prinz weiß, was er zu tun hat. Ein letztes Bild, der viert und letzte rote Platz. Tod soll der Name dieses Werkes sein. In seinem Atelier, in dem bereits drei Leichen verwesen, bereitet er die Leinwände und anschließend auch sich selbst vor. Dann beginnt er zu malen. Anfangs konzentriert, während sein Blut in eine Auffangschale läuft. Mit zunehmenden Blutverlust wie in Trance.

 

Wenigstens sein Timing ist gut. Nur kurze Zeit nach dem letzten Pinselstrich stirbt der Maler, der so gerne ein Prinz geworden wäre.

 

Die Werke haben es bis in das Kriminalmuseum geschafft. Kunst-kritiker und Polizei sind sich einig, dass seine letzte Leistung die Beste war, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen. Was aus der Prinzessin wurde? Wenn sie nicht gestorben ist, so lebt sie wohl heute noch.

 

Zeit das Märchenbuch für heute zu schließen.