Jurystimmen

Dr. Christoph Horst & Dr. Schübl Elmar

Am 19. November 2005 luden Lady of Glencairn, Lord Loichtness of Darkness und Prinzregent Max Lucifer, residierend auf Schlösschen Eisengraberamt, zum ersten KRACHMANN-PREIS. Der freundlichen Einladung ins schöne Waldviertel, das sich zum ersten Mal in diesem Herbst von seiner winterlichen Seite zeigte, folgten mehr als 20 Gäste, die in angenehm festlicher Atmosphäre einen unvergesslichen Abend verbringen durften. Der Gastgeberin und den Gastgebern sei hierfür im Namen der KrachmännerInnen sehr herzlich gedankt!
Inspiriert von ebenso geistreichen wie originellen Beiträgen war es den Juroren ein Fest, das Dargebotene zu kommentieren und – nach kurzer interner Besprechung – den Preisträger bekannt zu geben.
Die Entscheidung, den diesjährigen Krachmann Preis Victor Stehmann zuzuerkennen, stieß auf breite Zustimmung. Einsprüche, die der Ausschreibung gemäß nur unter Zuhilfenahme von Kettensägen möglich gewesen wären, blieben erfreulicherweise aus. (So kamen Feuerlöscher – mit denen sich die Jury vorsorglich gewappnet hatte – nicht zum Einsatz.)

Der Geist großer altösterreichischer Erzählkunst atmet aus dem Text, den Stefan Wurst aufs Vorzüglichste vorzutragen wusste. Sein Beitrag teilt das Schicksal vieler Meisterwerke, nämlich jener, deren vordergründige Sperrigkeit sich letztlich in die Vielschichtigkeit des Hintergründigen transformiert. Mit dieser fulminanten Eröffnung zeichnete sich schon sehr deutlich ab, was die geneigten Zuhörenden erwarten durften: eine literarische Sternstunde der Extraklasse.

Gerhard Höffler entwarf mit „Der Neusiedlersee als geothermischer Erlebnispark?“ eine Vision, die früher oder später wohl auch von burgenländischen Landesräten aufgegriffen werden wird. Man wird die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des östlichsten Bundeslandes im Auge behalten müssen, um dann auch den Hinweis geben zu können, dass Höffler, Weitsicht unter Beweis stellend, das Wesentliche schon an diesem Novemberabend des Jahres 2005 dargelegt hat.

In seinen Bann zog uns auch Adalbert Strebl mit seiner lehrhaften Dichtung, die von Schwierigkeiten handelt, die der um Erkenntnis Ringende zu meistern hat. Der Gefahr des „Vulkanisierens“ entgeht nur derjenige, der sich eine gewisse Heiterkeit bewahrt. Die Parabel verdeutlicht, dass wesentliche Erfahrungen sehr oft die Folge eines ge¬winnenden Lächelns sind.

Stefan Loicht widmete seine olfaktorischen Betrachtungen ganz den Grundlagen des Vulkanismus, indem er dessen organische Dimension ins rechte Licht rückte. Loicht skizziert eindrucksvoll eine Phänomenologie des Vulkanismus und zeigt, dass es sich dabei keineswegs um einen Schas handeln muss. Sinnreiche Bezüge zur österreichischen Geschichte machen deutlich, warum zur gestellten Thematik vor allem in heimatlichen Gefilden Tiefsinniges geschürft werden kann.

Erfolgreich schürfte auch Reinhard Mechtler, der Manifestationen vulkanischer Tätigkeiten sehr geglückt mit oftmals weniger geglückten Individuationsprozessen in Verbindung brachte und in diesem Zusammenhang auch auf die Bedeutung meteorologischer Einflüsse verwies. Die Einsichten Mechtlers weisen selbstverständlich weit über Geschehnisse in Mitteleuropa hinaus, möglicherweise sogar hinein in die Tiefen des uns umgebenden Weltraums.

In die Welt der Poesie verführte uns Klaus Trampisch, dem es glückte, jene Gemütsverfassung zur Sprache und auch zum Ausdruck zu bringen, die wohl alle Anwesenden teilten, als ihnen das Thema dieses Autorenwettbewerbs bekannt gegeben wurde. – Ich hier? / ... / Za woas? /... / Du hier? / ... / WIR HIER!!! / SEHR GUT!!!

Professor Markus Spiegelfeld nahm das Wagnis auf sich, die kulturphilosophische Dimension, die dem Vulkanismus eigen ist, gewissermaßen zum Angelpunkt seiner Ausführungen zu machen. Spiegelfeld verstand es in „Flectere si nequeo superos, acheronta movebo“ meisterhaft den Bogen von der Mythologie bis hin zu grundlegenden Einsichten der modernen wissenschaftlichen Erkenntnisarbeit zu spannen; im Mittelpunkt seiner Betrachtungen stehen die beiden zentralen Momente des Vulkanismus: Tiefgründigkeit und Vielschichtigkeit. Die eine oder andere vertretene These wird sich wohl als unhaltbar erweisen, in Summe ist diese weltanschauliche Analyse aber als großer Wurf zu werten.

An die altehrwürdige philosophische Tradition des Dialoges knüpfte Bernhard Schausberger mit seinem Beitrag an, in dessen Mittelpunkt die politische Dimension des Vulkanismus steht: Die alte Europa, einst eine leidenschaftliche Geliebte des Jupiter, und Vulkanus, der Gott des Feuers, thematisieren die jüngere Vergangenheit des Kontinents sowie die gegenwärtige Befindlichkeit der Europäischen Kommission. Schausberger bot eine treffende Analyse, aber leider wenig Erbauliches für unsere Politiker in Brüssel und Straßburg.

Kritische Worte fand auch Harry Schmidt, der als genauer Beobachter von Anzeichen vulkanischer Aktivitäten in Mitteleuropa wesentliche Momente des europäischen Dilemmas auf den Punkt zu bringen verstand. Auch aus Schmidts Text atmet jener Geist, der den grundlegenden Phänomenen des Vulkanismus nachspürt und dabei auf organische Wandlungsprozesse stoßen muss, die durch mitteleuropäische Ernährungsgewohnheiten stark gefördert werden.

Einblicke in die Welt des Surrealen gewährte Victor Stehmann, der es hervorragend verstand, den Einbruch des Unerwarteten (Erdspalten, die sich in der Wiener Innenstadt auftun) ins ganz normale Leben (Beckmanns Wecker plärrt um 6:30) derart darzustellen, dass nach seinem Vortag die Frage im Raum stehen blieb, ob man überhaupt noch ein heiles Wien vorfinden würde. (Chaotische Verhältnisse in der Inneren Stadt hätten weit weniger überrascht.) Darüber hinaus zeichnen prophetische Züge diesen fantastischen Text aus, denn Stehmann wandelte auf den Spuren Beckmanns. Die Vision, den ersten Krachmann Preis für sich zu entscheiden, konnten beide realisieren. Der siegreiche Autor soll nach einer ausgelassenen Feier – „irgendwann um 23:00, schlafend seinen Pokal umklammernd“ – gesagt haben: „Ich bin mit diesem Preis durch Blut verbunden“.

Ebenfalls der surrealistischen Tradition ist der Beitrag von Michael Drucker zuzurechnen, dessen Hauptfigur K sich im Sinne Heideggers Geworfensein einer unwirtlichen Welt ausgesetzt sieht. Zum Abschluss dieses hochkarätigen Autorenwettbewerbs waren in Druckers Vortrag existentialistische Anklänge vernehmbar, die einen weiteren wichtigen Aspekt der Anzeichen für vulkanische Aktivitäten – nicht nur – in Mitteleuropa ins Bewusstsein der illustren Runde hob.

Abschließend möchte sich die fahrzeugmäßig vom Wintereinbruch überraschte Jury bei Lady of Glencairn für die Befreiung aus misslicher Lage und das Geleit bis zur geräumten Bundesstraße bedanken.