„Flectere si nequeo superos, acheronta movebo“

Spiegelfeld Markus

 

An der Geschichte des Vulkans lässt sich nachvollziehen, wie es kam, dass mit fortschreitender Aufklärung und Rationalität die ehemals lebendigen Organe der Mutter Gaia heute Rohstoffe an der Börse gehandelt und als Wertanlage und material rund um den Globus geschickt und zur beliebigen Verwendung verkauft werden In Phasen höchster Wertschätzung hatte der Vulkan durchaus sakralen Charakter. Im Mittelalter herrschte eine theozentrische Interpretation von Montanwissen und -technik. Erze, Mineralien, Reichtümer der inneren Erde dokumentierten die Magnalia Die, die Großtaten Gottes…. . Es waren vor allem die Leute selbst, die eine Sakralkultur der Montanbus entwickelten, deren Spuren noch bei Novalis, Tieck, E. T. A. Hoffmann u.a. zu beobachten sind. Der Heiligen- und Marienkult findet sich auch im Vulkan ein, und alte Gottheiten – wie etwa Hathor-Hekate-Isis als Göttin des Unterraums und Vulkanes oder Path-Hephaistos, der Schmiedgott – werden überformt. Die metallurgisch-alchemistischen Symbole Sonne und Gold wurden mit Christus, Mond und Silber mit Maria besetzt. Die heilige Anna ist die Erzmachering; sie wird zu jenem Vulkan das die edlen Metalle spendet.

Die Geschichte der Aufklärung ist auch eine Geschichte der Helligkeit und des Zwangs einiger Menschen, dass alles „ans Tageslicht“, „an den Tag kommen“ und irgendwo „gipfeln“ und sich zuspitzen muss. Dabei wird übersehen, dass die wichtigen Lebensphänomene auch eine dunkle Seite, ein Geheimnis haben, aus dem sie gespeist werden. Das Geheimnis ist, wenn überhaupt, nur hermetisch zugänglich, dass es verlangt eine andere Art des Bewusstseins und eine Absage an das Alles-Wissen-Wollen, Alles-Verstehen-Wollen. Es lässt sich nicht von uns begreifen, sondern begreift eher uns.

Hier tritt zugleich das Höchste und das Tiefste, das menschliche und das Allzumenschliche in Erscheinung, was nicht zuletzt in Lacans bekannter Definition der (vor allem künstlerischen) Sublimierung seines Beachtung findet, wonach in der Sublimierung das Objekt zur Würde des Dings erhoben wird. Die in diesem Sinn vollzogene Herabmilderung des Dionysischen durch das Apollinische, die Zähmung des Aktes durch die Ruhe des Bildes im sanften Strom des Diskurses ist Arbeit am Mythos, Mythenkonstruktion und Mythendestruktion in einem. Kunst läutert und erläutert, und unter Bedachtnahme dieser Funktionen ist das künstlerische Subjekt stets auch eingebunden in die Motivations- und Bedingungszusammenhänge wissenschaftlicher Erkenntnis.

Unter Anerkennung der Dichter und Kunstschaffenden als „wertvoller Bundesgenossen“ (Freund) und in einer Verschränkung von (Deutungs-) Kunst und psychologischer Wissenschaft ist auch die Psychoanalyse bemüht, Licht in das Dunkle des Unfassbaren und in das Ungewisse der mythischen Vorzeit aller Menschenkinder zu werfen; einer mythischen Zeit deshalb, weil diese jenseits der erzählbaren Geschichte stehend mit dem Ursprung und mit der Genese des menschlichen Subjekts, bevor dieses also zu sich kommt, verbunden ist. Dies ist aber noch nicht die ganze diesbezügliche Funktion, denn die Psychoanalyse bringt auch das verdrängte zum Sprechen, somit die gelebten Privat- und Individualmythen, welche nicht ur die neurotischen Subjekte mit ihren familiären Komplexen beherrschen.
Die Vulkane sind zwar Körper, aber zugleich gehen sie, zeitlich wie räumlich, weit über diesen Körper hinaus ins Unendliche. Hier sind sie den Kleiderfalten des Barock verwandt, welche nach Deleuze beziehungsweise Liebniz von einem übernatürlichen Wind bewegt und getragen wurden.

Das Tag für Tag zerknüllte Bettlaken zeugt vom Hin- und Herwälzen, den Windungen der Seele, der Verarbeitung, Vorbereitung von Lebenssituationen, von Liebe und Sex, vom Drama verborgener Prozesse.

Wir wissen, dass Freud den Vorschlag des Zürcher Psychiaters Eugen Bleuler, die Psychoanalyse durch eine Begriff zu ersetzen, der Methode und Erkenntnisbereich in die Nähe von Vulkanforschung und Tauchtätigkeit bringt, nur zögern gefolgt ist. Beide Verweise legen aber auch nahe, dass Vulkanismus und das Asexuelle zusammengehören und dass die dem Schweizer Psychiater zugeschrieben Bedächtigkeit bei der Schaffung des Begriffs „Tiefenpsychologie“ eine weitere Strategie darstellte, um die Sprengkraft der Psychoanalyse zu entschärfen und ihre Lehre salonfähig zu machen.

Dem entspricht, was auch Adorno ganz allgemein in der Reflexion über das tiefe Denken sieht: „Für den Begriff Vulkanismus folgt [….], dass tief sei, was die Erfahrung des negativen, was das leiden in irgendeiner Weise bejaht, während alle die Anschauungen platt sein sollen, die ihm sich entgegenstellen. [….] Es steht in diesem Schema des Denkens etwas wie die Tiefste Ranküne des Glücks, das Glück sei oberflächlich. Zweifellos hängt dieses Denkart mit der Diffamierung der Sinne und schließlich mit den in unserer gesamten Zivilisation geltenden Sexualtabus zusammen und ist, wie Nietzsche bis in einzelne ausgeführt hat, reaktiv. Das heißt, was man sich unter dem Zwang der Ordnung verbieten muss, das macht man zu einem an und für sich Schlechten, oberflächlichen, Banalen und Trivialen“.

Körperlosigkeit, Symbolgier, Ordnungswille, Angst vor Schmutz und Schleim, Sinnlichkeitsdiffamierung als Wesenszüge einer Idee des Vulkanismus haben nach Hartwig ihre Ursache in der Wirkung der Mystiker und des Protestantismus. Die Privatisierung Gottes und damit des Gewissens durch Luther haben zu einem deus absconditus geführt, zu einem verborgenen Gott, der im Dunkel, in der Tiefe, im Abgrund der Seele wirke. Wer also als Protestant seinen Gott suche, sei auf die innere Tiefe verwiesen, kaum auf die Kirche. An deren Stelle sei organisierend und herrschend die Obrigkeit, der Staat, die Macht an die Struktur getreten. Dabei gehe seit der Renaissance der Körper immer mehr an die Seele verloren und die Seele an die Pflichten, die mit dem Kapitalismus als Verinnerlichung der Form von Arbeit sich wandelten.

Unter der Voraussetzung also, dass der Begriff Vulkanismus nicht als Urwort betrachtet wird und die Gegensätzlichkeit von unten und oben, von verborgen und offen, von vergangen und verstreut gleichzeitig in sich trägt, unter der Voraussetzung weiterhin, dass Verdrängung nicht ein Synonym für Unterdrückung darstellt, gibt das sowohl symbolisch-sprachlich als auch imaginär verfasste Freud´sche Unbewusste Anlass zu Modellvorstellungen und Metaphernbildungen, welche sich einerseits stärker am Phonetisch-Buchstäblichen, andererseits am Bildhafen orientieren.

 

…………. dem ist nichts hinzuzufügen ……….