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Wurst Stefan

 

Stefan Wurst leitete seinen Beitrag folgendermaßen ein: „Die Einrichtungen moderner Kommunikationstechnologie haben im Vorfeld des Krachmannwettbewerbs 2006 das Füllhorn ihrer Segnungen leider nicht in zufrieden stellendem Ausmaß über mich ausgeschüttet, sodass mich die ehrenvolle Einladung zur Teilnahme erst vor ein paar Tagen – telefonisch – durch Stefan Loicht („Wos is mit dein‘ Beitrog?“) erreicht hat. Dabei hat er mir zwar die knifflige Themenstellung („Schreib‘ wosd wüüsd!“), listigerweise aber nicht die schikanöse Vorgabe hinsichtlich der Behandlung des im Alphabet zwischen V und X gelegenen Buchstabens verraten. So widmet sich mein Beitrag zwar einem der brennendsten Themen menschlichen Zusammenlebens – nämlich der Einrichtung des Gästebuchs, tut dies aber ohne Berücksichtigung des W-Verbots.“Gelabt an üppig-schwerem SchmauseMuss jeder Gast in diesem Hause,Bevor er schwach von hinnen darf,In diesem Buch sich sinnenscharf,Gekonnt, voll Witz, unsterblich machen.Ob hingestreckt in Bluteslachen,Ob tot durch Opulenz des Mahles,Ob verwiesen er bereits des Saales(Als Folge trunkenen Betragens),Ob Opfer schlichten Herzversagens,Betäubt, bewusstlos, ob von Sinnen,Vor diesem Buch ist kein Entrinnen.Ein „Bitte, nein!“ das zählt hier nicht, -„Es ist höchste Gästepflicht“Die Hausfrau tönt – ganz Diktatur.„Zier‘ dich nicht, ein Satz doch nur!“Gnadenlos wird man gezwungen,Bis man sich qualvoll abgerungenHolpernd ein paar DankesworteVon der verbindlich-netten Sorte.Solcherart schon reichlich schlappWill man durch die Mitte abUnd schleppt sich – meist auf allen Vieren –Zu einer jener Ausgangstüren,Die man in diesem Zustand sieht;Doch wenn man g‘rade vor ihr knietUnd sich zur Schnalle hochzuziehen sucht(Mit letztem Sinnen nur – nach Flucht!),Da zerreißt ein spitzer SchreiDem armen Gast den Kopf entzwei:„Halt ein, bleib hier, du darfst nicht geh‘n!Was müssen meine Augen seh‘n?“Ereifert nun die Hausfrau sich, -„Auf‘s Äußerste brüskierst du mich!Das Bisschen da – und nicht gereimt!Willst fort dich schleichen abgefeimt!Glaubst Du etwa gar im Ernst,Dass Du von hier dich  S  O   entfernst?Eine Seite schreibst Du bloß?“Mittlerweile willenlos,Dem Tod weit näher als dem Leben,Versucht man in absurdem StrebenDen Kuss der Musen zu erheischen,Verfällt sodann in wirres Kreischen,Weil aussichtslos Versuche bleibenDank-Hexámeter zu schreiben.Im Koma schon – total entkräftet –Starr den Blick auf‘s Buch geheftet,Mit einem Fuß bereits im Grab,Schreibt man dann von ander‘n ab,Was die zuvor in diesem Buche(Im anerkennenswürdigen VersucheSich durch willfähriges VerhaltenIhr nacktes Leben zu erhalten)Verzweifelt zu Papiere brachten,Alles freilich nur im Trachten,Sich zu lösen von dem Fluche,Der innewohnt dem Gästebuche:Von diesem Fluch will ich berichten,Auf diese Weise lohnt das Dichten:Man hat sich vollgestopft in ScharenMit Eierteig- und ander‘n -waren,Champagner auch und schwerem Wein,Wie soll man da noch geistreich sein?Vor‘m Gast, der nur nach Luft noch schnappt,Wird kurzerhand es aufgeklappt,Anklagend unbeschrieben – leer und weiß!Der Gast denkt „Flucht!“ – und siedend heißÜberlegt er, ob sie wohl gelinge,Wenn er aus dem Fenster springe,Fiebrig zitternd sitzt er da,Dem Irrsinn nahe denkt er „ja“.Vor ihm entquillt dem Buch der Strudel,Verformt sich dann zu einer Nudel,Die – wie von Geisterhand bewegt –Um seinen Hals sich langsam legt,Und vor ihm tanzt die überlangeWie beschwor‘ne Nudelschlange.Und der Arme – voll der Völle –Wünscht sich gar schon in die Hölle,Denn es vergisst der arme MannIn seinem schweren Fieberwahn,Dass es ja der Teufel war,Der einst die Idee gebar,Dass zum guten Ton es zählt,Wenn man seine Gäste quält,Indem zuerst man fest die mästet,Bevor man ihre Dichtkunst testet.