Cuius regio, eius religio

Wurst Stefan


Ein Dramolett in einem Akt

(Im Büro eines stellvertretenden Programmdirektors einer staatlichen Rundfunkanstalt am Wiener Küniglberg)

AUTOR:   Guten Morgen, Herr Programmdirektor!

PROGRAMMDIREKTOR:   Guten Morgen, lieber Professor!

AUTOR:   Ich bin kein Professor…

PROGRAMMDIREKTOR:   Ah, nicht? Ich hab geglaubt, Sie haben was geschrieben für uns?

AUTOR:   Das schon, aber…

PROGRAMMDIREKTOR:   Na, ich bitt´sie, wer lesen und schreiben kann, ist doch bei uns immer Professor…

AUTOR (reicht ihm seine Karte)

PROGRAMMDIREKTOR:   Ah, ein Doktor zumind-, aber bitte, nehmen Sie doch Platz! Sie sind also ein Freund von unserem General?! Das ist natürlich völlig belanglos für den Ankauf, wo Sie doch als Autor schon so bekannt sind. Herrliche Aufführung übrigens heuer in Salzburg! Ihr Libretto, nein also wirklich – aber ich muss sagen, der Titel dieser Oper, sehr, äh, ungewöhnlich.

AUTOR: Aber ich bitte Sie, was ist so ungewöhnlich an „Anzeichen für vulkanische Aktivität in Mitteleuropa“?

PROGRAMMDIREKTOR: Nun, äh…ganz recht. Und was haben Sie uns denn heute mitgebracht? (Nimmt ein sehr dickes Manu-skript entgegen, das ihm der Autor reicht) Soso „Cuius regio, eius religio“, aha, also was französisches, sehr gut, so was haben wir schon lange nicht gehabt.

AUTOR: Also eigentlich, … spielt der Titel … mehr so ins Lateinische.

PROGRAMMDIREKTOR: Lateinisch, auch gut, da haben wir noch länger nichts gehabt. Wie kommen Sie eigentlich immer auf solche blödsin…, äh ausgefallene Themen?

AUTOR: Iiiich? Aber das waren doch Themen von Krachmann-Wettbewerben, der Loicht denkt sich die immer aus!

PROGRAMMDIREKTOR: Ah ja, richtig, ich hab Ihnen ja noch gar nicht zu Ihrem Erfolg beim 2006er Krachmann-Wettbewerb gratuliert, da waren Sie ja unter den Preisträgern, wie ich höre.

AUTOR: Tja, eigentlich mehr unter den Trostpreisträgern.

PROGRAMMDIREKTOR: Aaah, und wie hoch war der Preis dotiert? Wieviel gewinnt man denn da so?

AUTOR: Nun, es handelt sich da eher um, äh, Sachpreise…

PROGRAMMDIREKTOR: Ah so? No und was haben wir denn
Schönes gewonnen?

AUTOR: Tja, es war sozusagen ein Spiel.

PROGRAMMDIREKTOR: Ein Spiel? Interessant! Was für ein Spiel denn?

AUTOR: Nun, es war, also es war ein Kartenspiel.

PROGRAMMDIREKTOR: Ein Kartenspiel, wie aufregend! Was für eines denn?

AUTOR: Na ja, es waren, sozusagen, Schnapskarten.

PROGRAMMDIREKTOR: Asoo, Schnapskarten, (unterdrückt ein ins Hämische spielendes Grinsen), …no eh schön!

AUTOR: Na ja, aber auf den Rückseiten waren Fotos vom Robert Lichal drauf.

PROGRAMMDIREKTOR: Oh, das klingt aber eigentlich ziemlich scheußlich.

AUTOR: Das schon, aber andererseits, Sie haben die Hauptpreise nicht gesehen.

PROGRAMMDIREKTOR: Hmm, kein Krachmann-Preisträger, Professor sind wir auch nicht, ojeoje, da wird’s dann schwieriger, wie soll ich Ihnen da was abkaufen, die Leute werden mich fragen?

AUTOR: Immerhin wurde ich 1996 von der unbestechlichen Jury des Qualitätsmagazins „news“ für meine vielen Gucci-Anzüge zum bestdressed Rechtsanwalt in Österreich gewählt und heuer wurde ich laut Industriemagazin außerdem Nummer 817 unter den 1000 mächtigsten Österreichern

PROGRAMMDIREKTOR: Uuund?

AUTOR: Ich dachte, das wären die richtigen Argumente in Ihrem Hause, Qualifikation kann ja wohl hier keine Rolle spielen....

PROGRAMMDIREKTOR: Apropos, worum geht’s eigentlich bei diesem Cuius eduscho, oder wie das heißt, überhaupt?

AUTOR: Ich dachte, für die erste Staffel, an ca. 700 Folgen à 90 Minuten, beginnend mit dem Passauer Vertrag von 1552, die nächsten 30 Folgen widmen sich dann der Säkularisierung und Rechtssatzwerdung von cuius regio, eius religio zum ius reformandi in Deutschland.

PROGRAMMDIREKTOR: Deutschland? Ganz schlecht! Das lassen wir in Österreich spielen, am besten in Wien. Das wünscht sich der Chef. Aber bitte, fahren Sie fort!

AUTOR: Also dann brauchen wir zirka 120 Folgen für den Augs-
burger Religionsfrieden von 1555.

PROGRAMMDIREKTOR: Augsburger? Nicht so gut, sagen wir Frankfurter, ein gewisser Wien-Bezug muss schon sein. Aber bitte, fahren Sie fort!

AUTOR: Dann 100 Folgen für die Einführung der Reformation in England und 100 für die Bekämpfung in Frankreich.

PROGRAMMDIREKTOR: England? Frankreich? ….Nein, auch nicht so gut, … Indien wär´ jetzt sehr im Trend, Bollywood und so, aber das wird ja kein Problem sein, wir drehen eh im Studio. Aber bitte, fahren Sie fort!

AUTOR: Als Zwischenhöhepunkt dann ungefähr 300 Folgen über das beneficium emigrandi…

PROGRAMMDIREKTOR: Das was?

AUTOR: Das beneficium emigrandi. Das war die Freiheit, aus Glaubensgründen auszuwandern.

PROGRAMMDIREKTOR: Sehr gut, sehr aktuell, Einzelschicksale, Moscheen in Niederösterreich, Muezzine mit Schalldämpfer, (kommt ins Schwärmen:) Päpste, boat people, Mariazell, Kopftücher, Arigona, prall aus dem Leben! Das wollen die Leute sehen, – Hauptsache, der Assinger kriegt auch eine Rolle. Wunderbar, da lässt sich was draus machen. Aber bitte, fahren Sie fort!

AUTOR: Rolle? Assinger? Ist das nicht ein Schifahrer? Ich wollte schon … sozusagen fast eher mehr … also auch das Wissenschaftliche und Geschichtliche…

PROGRAMMDIREKTOR: Jaja, von mir aus, der Assinger ist doch jetzt sicher eh auch schon Professor, wenn nicht, nehmen wir halt den Moik. Aber wir brauchen schon auch ein weibliches Zugpferd, … die Stöckl wär grad frei.

AUTOR: Na ja, aber mein Konzept geht nicht so sehr in Richtung Show….

PROGRAMMDIREKTOR: Na gut, dann nehmen den Dorfer oder den Düringer, nein, wenn’s um Ausländer und Einwanderung…

AUTOR: Äh, eigentlich Auswanderung

PROGRAMMDIREKTOR: … sag ich ja, Einwanderung geht, wär natürlich der Niavarani besser. Aber bitte, fahren Sie fort!

AUTOR (schon etwas nervös): Äh, ich bin nicht sicher, ich habe eigentlich gemeint, ich hatte eher vor, also wenn Sie vielleicht einen Blick in mein Manuskript…

PROGRAMMDIREKTOR: Papperlapapp, so was les´ ich doch nicht, ich bin hier nicht Lektor, sondern 4. stellvertretender Programmdirektor. Ich weiß sofort, ob etwas ankommt oder nicht. Und bei Ihrer Story bin ich ganz sicher; da lässt sich was draus machen. Sendeplatztechnisch und budgetär hätten wir ja Platz. Wir müssten halt die Folgen von 90 auf 20 Minuten runterkürzen, kein Problem, straff statt schlaff sozusagen, an wie viele Gagschreiber hatten Sie gedacht? Wie viele Schauplätze, Ausstattung, Requisite, alles Dinge, an die man denken muss. Den Titel wer´´ma sowieso ändern müssen. Aber bitte, fahren Sie fort!

AUTOR: Sagen Sie, Herr Direktor, ich versteh ja vom Fernsehen nicht so viel, aber wozu braucht man Gagschreiber in einer Dokumentation?

PROGRAMMDIREKTOR: Dokumentation? Nein, soo gut können Ihre Verbindungen zu unserem General gar nicht sein! Neinneinneinneinnein, Doku brauchma keine, der Stoff kommt doch viel besser als Sitcom. Außerdem, was soll die Haarspalterei?
Im Zeitalter des Infotainments, der Dokusoaps und der Reality-
erotik verwischen sich die Formate sowieso alle. „Mitten im 8en“ war ursprünglich eine Live-Sportsendung, dann ein Kultur-journal und ist erst kurz vor der Ausstrahlung auf Sitcomflop umgeschrieben worden. Aber bitte, fahren Sie fort!

AUTOR: (erhebt sich): Gute Idee! Wie sagten Sie doch gleich, Herr Direktor? Indien wär grad sehr im Trend …