Die Sprache formt sich im Kopf

Schmidt Harald

 

Oh diese Gebildeten und Halbgebildeten mit ihrem lateinischen,
gar griechischen Zitatenschatz,
Oh diese Sprachartisten mit ihren fintenreichen Wortverrenkungen,
Oh diese Daumendreher, die aus den exotischsten Domänen Feuerwerke an real-phantastischen Begebenheiten zaubern,
Oh diese Kreativen, denen – verzeiht mir – zu jedem Blödsinn etwas einfällt,
Oh diese Humorvollen, welche den anderen aufs Köstlichste das Zwerchfell spannen,
Oh diese Geschliffenen, die aus dem Nichts ein Kunstwerk schaffen!

Wie hasse ich sie alle!Voll freudiger Erregung machen sie sich erst ans Werk und dann auf den Weg ins Eisengraberamt. Wie überheblich die Bescheidenheit ihrer Klage über das ach so schwere Thema. Wie widerlich die Nonchalance, der Text sei in so einer Verhandlungspause schnell diktiert. Und dann das Thema: Kunstsprache, geistiges Plastik aus der Frühzeit der Chemie, wo Umweltverträglichkeit noch unbedeutend war. Ich verzweifle, ich zermatere mir das Hirn, ich möchte absagen und doch nicht, ich will auch so eine originelle Geschichte erfinden, ich warte auf den Einfall und warte und warte und übermorgen ist es zu spät.Die Sprachlosigkeit steckt in allen GliedernEpifragment 1:Der unschuldige Zugang zu Volapük oder Kinder in der Küche:Es wird gefunden: Zucker, Öl und Schokolade, Nüsse, Eier, MarmeladeKäse, Mehl und etwas ButterSalami, Fisch und KatzenfutterSalz und Pfeffer, auch Rosinen,Bananen, Äpfel, Mandarinen,Brösel, Senf und ReisNudeln, Schinken und VanilleeisMachen wir nun eine Pizzi?Fragt die kleine Mitzi,Richtig heißt es eine PizzaWeiß Max, der freche FlitzerIch will aber lieber TorteVernehmen sich da klare WorteNein wir backen einen KuchenDen kann Mami dann versuchen,Schreit Fritz mit dem LuftballonPfui Teufel, das mach netAm Ende bleibt, ihr ahnt es schon,Döner mit Alles von AchmedEpifragment 2:Durch einen neu auftretenden Virus werden die für die Englischsprachigkeit zuständigen Hirnregionen aufgeweicht und unbrauchbar. Die Übertragung erfolgt per Mausklick, so dass alle PC-Benutzer in kürzester Zeit betroffen sind. Die internationale Kommunikation liegt danieder. Die Aktienkurse machen das, was sie sonst auch machten, sie stürzen ins Chaos. Unverständnis wird nun endlich transparent. Soros schlägt Bill Gates Volapük als Impfstoff vor, um wieder international nichtbinär kommunizieren zu können. Die Abtei Beuron sagt ihre Unterstützung zu, verzichtet auf Urheberrechte und erklärt, die entsprechenden Dateien in Psalmen verpackt adlinus zu stellen. Für das Runterladen ist von jedem Benutzer eine entsprechende Choralsequenz zu intonieren, welche über Stimmenrekorder erst auf ihre tonale Richtigkeit geprüft und in Folge in ihrem Rhythmus abgeglichen wird, sodass eine Überlagerung mit den übrigen Netzteilnehmern stattfinden kann. Wie einst in Babel gelingt es nunmehr mit Volapük, sich Psalmen singend verständlich zu machen, es wird geflucht und gelobt, getrauert, verwunschen und harmoniert. Der Gesang erhebt sich bald über den ganzen Planet und erzeugt einen Klangnebel derartigen Ausmaßes, dass jedes Wort, ja jeder Laut geschluckt wird in einem sich im rascher drehenden Wirbel, in dem alles aufgeht. Jenseits der kritischen Größe gibt es dann kein zurück mehr: Stellt man sich das Universum als in einem Urknall Entstandenes vor, erfahren wir nun das Ende in einem alles umwabbernden Volapükhimmel, auf den Krachmann hoffentlich gnädig hernieder blickt.