Volapük

Weimann Christian


Sehr geehrte ...
unbestechliche  Jury!

Seit Jahren verfolge ich den edlen Wettstreit der musengeküssten Poeten aus unfreiwilliger Distanz, eifernd bewundernd jene Aus­erwählten, denen eine Teilnahme schon zuvor vergönnt, endlich erreicht mich am 30. Mai die ersehnte ehrenvolle Einladung und dann: ....... VOLAPÜK!!!!!!!!!!

Wer ersinnt solch ein Thema? Ein völlig unsinniges Buchstabensammelsurium, dessen Bedeutung mir – einem Novizen und keinesfalls Restaurantbesucher am Bodensee – verschlossen bleiben muss! In völliger Verzweiflung sinkt die Achtung, die der erlauchten – unbestechlichen – Jury entgegenzubringen ich mich verpflichtet fühlte und weicht tiefem Misstrauen.

Wurden alle Teilnehmer diesem Unwort Unterworfen oder liegt bloß eine raffiniert eingefädelte Intrige meines in diesem Fall als reinsten Kollegen zu bezeichnenden, ehedem als Freund geachteten, in Hinkunft diesfalls lediglich missliebigen Konkurrenten Stefan Wurst vor und dies Schicksal trifft bloß mich? Sollte mein naiv kindliches, berufsimmanentes Vertrauen all das Gute sowohl im Menschen als auch in Stefan Wurst auf derart perfide Art zertrümmert und meine vormals unschuldige Seele brutalst in erwachsenes Unglück katapultiert worden sein?

Der Gedanke, allein diesem Konstrukt V O L A P Ü K unterworfen worden zu sein, während die anderen Teilnehmer sich hehren, edlen und reinen Themen widmen, die allein geeignet sind, die Feder in die mir Armen versagten Schwingungen zu versetzen, wie etwa „Die Erfolge der weiblichen Brust und deren Auswirkung auf die Sozialpartnerschaft“ oder „Rapid Wien aus der Sicht des Ornithologen“ versetzt mich in Raserei. Freilich nur kurz, da zuviel der Müh und Plag, die rechte Wut ist ein Privileg der Jugend.

Vormals geschätzte, leider unbestechliche Jury: Ist’s wie ich fürchte? Alleinige Blamage meinerseits, kunstsprachliches Gewirr Stammelndem unter dem Gejohle des im Range vorbeiziehendem Stefan W.? Solch üblem Spiel leistet Ihr Vorschub?

PFUI!!!!

Oder war’s bittrer, alle gleichermaßen strafender Unernst von höchster Stelle und Stefan Wurst, gleiche Last tragend, strahlt heller als die Unschuld selbst (eine vielfach interessante Vorstellung)? Oje!

Volapük!! Thema für alle? Welcher Sinn soll sich aus solchem Unsinn uns Armen im Geiste erschließen? Ein Pseudowort, unverständlich jedem! Auswurf boshafter Phantasie einiger kraft ihres Amtes geistig implodierter Jurymitglieder? Undenkbar! Unfassbar!

Hätt sich bloß unser seliger Präsident Jonas durchgesetzt! Ihm fehlte lediglich ein kleiner Zusatz der Verfassung, dem Herrscher 1859 noch ohne solche gegeben, allein dann hätt er mit meinem Schuleintritt die von ihm ersehnte sprachliche Verpflichtung aller Despoten und Desperaten im Lande durchgesetzt: ESPERANTO für alle und jeden!! Kein Wort wäre uns mehr fremd, selbst Volapük verstünde jeder­ – oder es existierte einfach nicht!

Esperanto freilich könnt ein Thema eines Krachmännerlnnenwettbewerbs sein, würdig der intellektuellen Macht, des politischen Durchblicks und der Überzeugungskraft unserer dem Ideal der Weltverbesserung (sei’s auch bloss der eignen) unheilbar verfallenen Teilnehmer. Die hohe Jury müsste bloß das Wort Krachmännerlnnen auf Esperanto der Einladung voransetzen! Eine Weltsprache, jedem begreiflich, von allen gesprochen, als Thema des Wettbewerbs. Was wäre alles möglich gewesen, worüber hatten wir schreiben können! H.C. Strache konnte Türken begeistern – faszinierend; Gusi würde endlich von Genossen verstanden ­unvorstellbar. Weltpolitische Auswirkungen ohne Ende konnten prophezeit, gedeutet, erwartet und vor allem in Verse gefasst oder Prosa geschmiedet diesen Wettbewerb zu neuen Hohen führen, ihm einen Platz, wenn nicht der Jury, so doch der Teilnehmer würdig an der Spitze der Literaturwettbewerbe dieses von babylonischem Wirrwarr geplagten Planeten verschaffen.

Vereinfachtes Esperanto – das Ende aller aus Missverständnissen generierten Konflikte. Wie gern hätt ich darüber elaboriert und gemachwerkt. Neue Vokabel braucht der Mensch! Der uneinsichtige Garten aus einer Immobilienannonce wäre sofort als uneinsehbar erkannt, umfasst bloß ein Wort beides. Oder als unsichtbar, gehört auch dazu und macht den Hauskauf spannend. Gezieltes Vorbeireden am andern – kein direkter intellektueller Kontakt – wie soll da noch Streit möglich sein? Aus freiwillig und free Willy wird ein Wort, ebenso aus Ehemann und ehemals.

Wie allerdings die naiv gestammelte Entschuldigung einer zu spät heimkehrenden Ehefrau, sie habe mit ihrer besten Freundin noch einen cocktail geschlürft, bei genauer Betrachtung dieses unheilvollen Wortes dem misstrauischen Gespons gefahrlos und konfliktfrei übersetzt werden kann, entflieht samt zugehöriger Bilder meiner Vorstellungskraft, gleichwohl mancher dabei gern ein bzw. der Mann der Mitte gewesen wäre. Sowohl cock für die eine als auch tail für die andere entziehen sich einer seriösen oralen Transmission – wohl einer der Gründe des Scheiterns dieser weltsprachlichen Idee.

Wie auch dieses Beispiel dem tabulosen Hörer bzw. ebenso geneigten Leser offenbart, ist das Schein- und Halbverständnis Quelle einer Vielzahl der uns nervenden Konflikte. Warum eigentlich eine Weltsprache, die diese Gefahr verschärft? Das Gegenteil tut not – für jeden eine eigene Sprache, die sich diffizil konstruiert dem Verständnis des Gesprächspartners entzieht. Völlige Unkenntnis der vom anderen ge- und missbrauchten Sprache schützt vor jedweder Kränkung, sei‘s auch durch gezieltes Missverstehen. Eigne Worte, die keiner versteht oder missverstehen kann, so gern er es auch wollte. Politischen Karrieren waren keine Grenzen durch treffende Bemerkungen vom Gesudere mehr gesetzt – oh Gusi, könntest auf ewig Kanzler sein. Ehen wären gerettet, müsst man Fragen wie „Wie gefällt dir mein neues Kleid“ nicht stets ertappt Iügend beantworten (freilich wäre eine ehrliche Antwort häufig letal). Gerichtsalltag wäre endlich legitimiert.

Wie sehr harrt diese Idee einer Bearbeitung, Entwicklung, Betreibung oder auch Vernichtung im pseudointellektuellen Diskurs durch große Denker, große Künstler oder auch uns. Staatliche Förderung aus Kunst-, Kultur- und Randgruppenbegünstigungsbudget wäre gewiss und könnte uns alle in leidlich arbeitsfreien Wohlstand stürzen.

Allein – der Jury war dieser Weitblick nicht gegeben, jedem Genius abhold warf man uns eine Buchstabensuppe – VOLAPÜK – zum Fraß vor, als wären wir Mönche von Mainau. Esperanto hätte uns Flügel verliehen, Volapük stutzt dieselben und lässt uns am Boden kleben.

Verehrte – unbestechliche – Jury! Ich protestiere ganz entschieden ebenso un- wie außerordentlich und verlange eine Änderung der Krachmännerlnnenstatuten und Innen. Der Letzte eines Wettbewerbes soll hinkünftig das hohe Amt des nächstjährigen Themenerfinders innehaben, um Wiederholung solchen Unfugs samt Vergeudung vorhandener als auch ersehnter geistiger und künstlerischer bzw. künstlicher (kein Unterschied am Bodensee???) Bemühungen zu vermeiden.

Ich empfehle mich mit der Ihnen gebührenden Hochachtung!

Christian Weimann

P.S. Wo kann sich Stefan Wust als Tutor für die nächstjährigen Novizinnen bewerben? Habe einige taugliche Kandidatinnen im Schwimmbad entdeckt, könnte Kosten für Bardamen sparen!