Großer Bahnhof

Michael Drucker


In Hallen endlos grau und kalt durchzogen
steht ein Mensch blass und allein gelassen
derweil sind alle schon abgebogen
will er noch ein Gedicht verfassen !

Träumt von vergang´nen, inspirierten Tagen
wo Worte gleichsam selbst zum Reim sich ketten
wie Wagons zu Zügen in der Gleise Betten
ungleich der spröden Wörter heut´ge Plagen

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Im Treiben in der Bahnhofshalle – sonderbar
sein irrer Blick will von dem Geist nicht lassen
Denk nun, ein Dramulett wird er verfassen !
dies ward zum Siegen recht vergang´nes Jahr

Wohl wird den Preis er nun erringen
hat der Dichtkunst Rezeptur gefunden
derer Krachmann Sieger sich verdingen
an die der Juroren Gunst gebunden

Feist macht er sich ans Werk der Gute
Szene 1, Bahnhofshalle fast ganz verlassen
Ein Mensch, Dichter mit frohem Mute
Bereit das Werk nun zu verfassen

Da trifft er zwischen den Geleisen
inmitten schwarzer Lumpen sitzend
trinkend Schnaps und Reime schwitzend
die letzten aus den alten wahren Kreisen
die Literaten – Krachmann Weisen
Die sagen wonnevoll und inniglich beseelt
„Oida na so wiard des nix,
des schreibt eh a ondara des is fix“
nun denkt er „schreib was and´res – was das fehlt“

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Oder soll in rohen Worten
an völlig Sinn entleerten Orten
er armer Helden Leiden schreiben
die dann auch noch humorvoll bleiben

deren entstelltes Schicksal unvermittelt
in jeder Lebenslage zuzuschlagen droht
Ein Skurrilitäten Kabinett – gedrittelt
in Hohn und Ohnmacht,  sowie bitt´re Not

Der Bahnhof groß und übermächtig
wird ein dunkles Spiel einleiten
in dem ein Mensch erst unverdächtig
in andere Realitäten wird entgleiten

Doch der Rat der alten schwarzen Meister
an der Geleise Endstation
kann sich auch dafür nicht begeistern
„Heast des hamma sicha schon“

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Einen Thriller wird er schreiben
historisch dingfest und geheimnisvoll
gemixt mit buntem Narrentreiben
wird die Handlung wirklich toll
ein feistes Bildungswitzerl da und dort
flugs spielt der Roman an einem anderen Ort
wird in Verschwörungszirkel eingewoben
auch Krachmann selbst wird eingeschoben

Zeitgeist fließt im Handlungstrom
Fürs Baugewerbe gibt’s an Dom
Weltpolitik und Staats-Affären
zwischen klassischen Chimären

Niemand kann dies Werk mehr übersehen
Es wird über allen anderen bestehen
Doch der Meister Schweigen lehrt:
„des homma ah scho öfta g´hert

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Ha! Diesmal wird er sie Belehren!
Denn an Moral mangelt ´s der Bande
Um an des Wettbewerbes Rande
Sie dadurch zum Besseren bekehren

Wird zeigen ihnen wo auf seinen Reisen
er die Ungerechtigkeit getroffen
ihnen die Augen öffnen diese weisen
von satter Moral – nicht weltenoffen
Er – ja nur er hat sie gesehen
die Bahnsteige voll Tripper-blasser Nutten
und die Bettler dort in gammeligen Kutten
wollt ihr das denn nicht verstehen ?

Es gilt hehreres zu berichten
als in euren selbstgefälligen Geschichten
die nur von eignem Blute sich ernähren
Die muss die Runde nun entbehren

Oh wenn anheim der Preis würd´ fallen
endlich ihm dem ungekrönten Literaten
die ihn bekamen einst – gemessen nun an Allen
vollbracht er doch die größten dichterischen Taten

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Umsonst sehnt er der Meister Beifall her
die kennen ihn nun gar nicht mehr
in ihren selbst gewählten Lumpen
wird nun statt Schnaps vom edlen Wein getrunken

„Mia hob´n heut wieda des is sicha
an oaschtritt g´habt fia so an Dichta,
weu mia bleib´n unter uns – die Masta
und vazichten auf de Nachwuchs G´frastrer

Nein! denkt er nun, ich kann es nicht
was bleibt von mir bleibt ein Gedicht
Werte Jury geht ins Gericht
Den meiner Dichtkunst fahles Licht
erstrahlt im Krachmann Endbericht
unter „bemüht sich – aber kann es nicht“

Denn von Dichten, Drama und Kultur
versteht er leider großen Bahnhof nur.