Das Ding an sich

Helga Raunicher

Mit dem Begriff „das Ding an sich“ weiß jeder, was gemeint ist. Oder? Aber bei genauerem Hindenken und Hinschauen wird es immer undurchsichtiger.

Zum Ersten ist das Ding mal sächlich – aber ist ein „Ding“ nicht eine ¬„Sache“? Somit ist es schon ins Weibliche abgedriftet. Gibt es ein Synonym mit männlichem Artikel? Nein, daraus schließen wir: Männer können keine Dinge sein. Aber sind es Frauen? Auch nicht. Also ist
diese Theorie zu verwerfen.
Gerade fällt mir das Wort der „Gegenstand“ ein – also sind wir auch nicht klüger als zuvor. Aber wenn ich Ding sage, bedeutet das nicht Sache oder Gegenstand, genauso wie Sache kein Gegenstand oder Ding sein muss. Schon gar nicht kann oder muss ein Gegenstand nicht Ding oder Sache sein.

Zum zweiten wird mit einem Ding oft ein Gegenstand oder Wort benannt, das einem gerade nicht einfällt. Da kann es aber von der Bedeutung her wieder alle drei Geschlechter haben. Also Ding kann für alles Mögliche stehen.

Zitat Immanuel Kant: „Ich dagegen sage: es sind uns Dinge als außer uns befindliche Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein von dem, was sie an sich selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinungen, d.i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne affizieren. Demnach gestehe ich allerdings, dass es außer uns Körper gebe, d.i. Dinge, die, obzwar nach dem, was sie an sich selbst sein mögen, uns gänzlich unbekannt, wir durch die Vorstellungen kennen, welche ihr Einfluss auf unsre Sinnlichkeit uns verschafft, in denen wir die Benennung eines Körpers geben, welches Wort also bloß die Erscheinung jenes uns unbekannten, aber nichtsdestoweniger wirklichen Gegenstandes bedeutet. Kann man dieses wohl Idealismus nennen? Es ist ja gerade das Gegenteil davon.“

Warum so kompliziert?
Fragen wir uns lieber warum „an sich“ Warum nicht „an mich“, „an dich“ oder „an uns“?
Das ist uns aber egal. Der Wiener würde sagen: „Das ist mir wurscht!“ (kommt daher die Kantwurst?) Möglicherweise hat das einen Bezug zu „An und für sich“, was für sich allein genommen unverständlich ist.

Wie man sieht, haben sich schon einige vor unserer Zeit mit diesem Thema auseinandergesetzt und beschäftigt. Glaubt Ihr, dass denen das alles so klar war? Wahrscheinlich waren sie nur überzeugt von ihren hochgeistigen Aussprüchen, dass es eben für sie klar war: das kann nur so und nicht anders sein.

Aber bevor wir weiter ins Philosophische gehen, fällt mir etwas Wesentliches ein:
SI TACUISSES, PHILOSOPHA MANSISSES.
Also hülle ich mich in Schweigen und versuche, eine Philosophin zu bleiben oder vielleicht besser zu werden.