Jurystimmen

Dr. Horst Christoph, Dr. Elmar Schübl, Daniel Ranner

Krachmann 2013

 

Samstag, 12. Oktober 2013 im Waldviertel. Die leicht verstimmten Wettergötter sind (noch) auf unserer Seite: Regen (und noch nicht Schnee) lässt den Abschluss der diesjährigen Grillsaison nicht ins Wasser fallen und verstärkt die Sehnsucht nach der warmen Stube, wo sich schon bald eine illustre Runde zum 9. Krachmann einfinden sollte. Außer Konkurrenz las Sabina Loicht einen kurzen Text, der – von Max Loicht ausgewählt – das weite Spektrum des gestellten Themas bereits erahnen ließ. Kreisverkehr – ein Thema, das den Bogen von der österreichischen Provinz bis in entfernte Galaxien spannt! Wie aktuell das Thema ist, beweist eine Aktion des Vereins „Kunst im öffentlichen Raum“, die zehn niederösterreichische Kreisverkehre von Künstlern aus unterschiedlichen Kontinenten bespielen lässt. Ob solcher Anspruch angemessen oder doch eher provinziell ist, wollten auch die Krachmann-Autoren wissen.

Ins Krachmann’sche Universum drang als erster Wolfgang Weißensteiner vor. Der stimmige Titel seines Eröffnungsbeitrages „Kreisverkehrt“ brachte ein Wesensmerkmal der diesjährigen Herausforderung bereits auf den Punkt. „Geruch des Biertisches“ und „Wutbürger“ loteten die Spannweite des Themas aus. Christian Sova gab mit seinem Text „Ein Kreisverkehr in Dallas“ (hervorragend vorgetragen von Reinhard Mechtler, da der Autor selbst sich aufgrund einer Familienangelegenheit verständlicherweise entschuldigen musste), der mit fiktionalen und historischen Momenten spielt, ein gelungenes Debüt im Eisengraberamt. Kein Debütant, sondern ein Krachmann der ersten Stunde und zudem stets ein Anwärter auf die begehrten Preise ist Stefan Wurst. Seine geistreichen Reflexionen und sprachwissenschaftlichen Analysen haben uns auch in diesem Jahr zum Staunen und Lachen gebracht. Genda, genda, heißt die Agenda!

Christian Ondrak (diesmal wieder free solo) bot eine packende Erzählung, die von Begebenheiten handelt, die sich auf Feldwegen in der Provinz zutragen können oder in galaktischen Tiefen, wo ebenfalls Grundbedürfnisse befriedigt werden wollen. Ondrak – auch ein Waldviertler Urgestein – ist für seinen zwischen Kirtag, wissenschaftlicher Spekulation und Weltraum-Fantasie schweifenden Beitrag der vierte Preis zuerkannt worden.

Den Reigen der Waldviertler Pioniere setzte Victor Stehmann fort. Er hat den Wink der Jury ernst genommen und uns mit einem höchst gelungenen Vierzeiler beeindruckt. Kürzer und bündiger lässt sich das vielschichtige und entsprechend komplexe Thema des diesjährigen Wettbewerbes nicht fassen.

Mit dem nächsten Beitrag von Helga Raunicher (gelesen von Uli Winter) sind wir im Reich der Lyrik geblieben, obgleich ihr kreiselndes Werk deutlich experimentellen Charakter trägt.

Stefan Loicht überraschte heuer mit einem stark autobiographischen, sehr orts- und zeitkonzentrierten Text, der uns die Augen öffnete für die Gefahren mehrwöchiger, ununterbrochener Aufenthalte in der Provinz. „Zustände – ein Journal“ verdeutlicht das Umfeld, das offensichtlich notwendig ist, um einen Lese- und Schreibwettbewerb ins Leben zu rufen, der seit nahezu einem Jahrzehnt das kulturelle Treiben im Waldviertel bereichert. Auch formal beschreitet Stefans „Journal“ krachmännisch-literarisches Neuland.

Die Praxis solcher Veranstaltungen im Allgemeinen und des Krachmanns im Besonderen thematisiert Günter Nowak in „Kreisverkehr – Literarische Verquickungen“. Damit war mit feiner Ironie die längst fällige Metareflexion über unser aller Treiben geleistet, die großes Vergnügen bereitete.

Dies gilt auch für den surrealistischen Text von Bernhard Mitterer, dessen Tempo und Dynamik beeindruckt, ebenso das reflexive Moment mit Fokus auf das Hintergründige, das sich beispielsweise als fliegender Hai plötzlich in den Vordergrund katapultieren kann. Mitterer ist 2013 der dritte Preis zuerkannt worden.

Christian Weimann – auch einer der großen Meistererzähler, die das Waldviertel regelmäßig beehren – verdanken wir einen Text, der die Finten und Tücken österreichischer Gemeindepolitik in den Blick nimmt. Sie bieten den Stoff für die alltäglichen Tragödien und Komödien, von denen nicht zuletzt die TV-Unterhaltungs-Dokus gut leben. Weimanns meisterhafte Erzählung, quasi ein Lehrgedicht, brachte ihm heuer den zweiten Preis ein.

Nur ein Beitrag dieses hochkarätigen Wettbewerbes beeindruckte die Jury noch mehr – und dieser stammt von Bernhard Schausberger: ein Mann der ersten Krachmann-Stunde (2005), der in den letzten Jahren wieder regelmäßig den Weg ins Waldviertel gefunden hat. Erfreulicherweise auch in diesem Jahr. Existenzielles klingt bereits im Titel an: „Woher kommst Du? Wohin gehst Du?“ Es ist eine rasante Entdeckungsfahrt mit vielen überraschenden Wendungen und Einsichten, auf die Schausberger unter Spannungsbögen hindurch sprachgewaltig zusteuert, um diesmal den Siegerpokal in die Höhe zu stemmen. Wir gratulieren herzlich zum Krachmann-Preis 2013.

Für literarische Höhepunkte sorgte in den vergangenen Jahren stets Michael Drucker, der zu späterer Stunde seine „Kreisverkehrsphobie“ zum Besten gab. Ein weiterer Text, der dazu geeignet ist, den Eindruck vom unterhaltsamen Oktober-Abend 2013 zu verstärken. Ein gelungenes Krachmann-Debüt feierte mit „The Lower Austrian Roundabout Movement“ auch Wolfgang Pokieser, der den Kreisverkehr in die drogengeschwängerte Disco-Szene versetzte.

Außer Konkurrenz lief schließlich noch Markus Steinbichlers DVD mit dem Romanfragment „Die Sache mit dem Kreisverkehr“. Die Sache mit dem Krachmann ist zusammengefasst die, dass nicht nur die Juroren das Erscheinen kreativer Köpfe zu würdigen wissen.

Es sind diese gemeinsamen Stunden, beginnend mit der Fahrt durch eine herbstlich leuchtende, von einigen Kreisverkehren belebte Landschaft, die bereits einstimmt auf den dann folgenden literarischen Zauber. Das führt uns jedes Jahr aufs Neue ins Waldviertel. Und, nicht zu vergessen, die Loicht’sche Gastfreundschaft, für die wir uns herzlich bedanken.