Günter Nowak
Nach Bekanntwerden eines diskreten Treffens von G. Nowak, des bekannten, langjährigen und mehrfach ausgezeichneten Teilnehmers des alljährlichen Krachmann-Literaturwettbewerbs, mit prominenten Juroren im Vorfeld der vorjährigen Veranstaltung am Flughafen Amsterdam, sah sich der Autor gezwungen, seinen diesjährigen Beitrag zurückzuziehen. Die Vermutung einer Absprache zwischen Autor und Kritikern (vgl. Best of Böse, Falter 8/2013) mit dem Ergebnis einer offensichtlich kalkuliert-desaströsen Bewertung des vorjährigen Beitrags sowie der vermutlich primär den vernichtenden Kritiken geschuldete anschließende sensationelle Verkaufserfolg des Werks führten zu diesem Schritt.
Die Veröffentlichung des ursprünglich für den Krachmann 2013 vorgesehenen autobiographisch inspirierten Werks „Mit dem Kinderwagen im Kreise fahren“ geriet unter dem Verkaufstitel „Kinderwagen Diaries – mit sechs Achteln durch Ottakring“ in kürzester Zeit ebenfalls zu einem Verkaufsschlager. Das Werk beinhaltet primär praktische, ausschließlich geschlechtsspezifische Empfehlungen und Handlungsanweisungen für alleinerziehende bzw. Vollzeit betreuende Väter zur Routengestaltung mit Kinderwagen unter optimierter Einbeziehung lokaler Einkehrmöglichkeiten inkl. essentieller Tipps, wie z.B. „Heuriger Alszeile – hervorragender Spritzer unter Vermeidung von Bobos und ähnlichem Gelichter“. Dass auch sportwissenschaftliche Aspekte wie „Himmelmutterweg im August mit Kinderwagen – eine Bergwertung der Kategorie 4“, „Winterleitengasse ohne EPO – es ist möglich!“ oder „Zwei Seideln sind noch kein Doping“ beleuchtet werden, fand sofort begeisterten Eingang in Zeitschriften wie GQ. Die Sammlung an sorgfältig gewählten, kinderwagentauglichen Rundfahrten im Westen Wiens fand bereits Aufnahme in internationalen Reiseführern, wie den „Lonely Planet Vienna“. Ein offensichtlich in kürzester Zeit produziertes Nachfolgewerk mit dem Titel „Zen oder die Kunst einen Kinderwagen zu warten“ wurde noch im September 2013 veröffentlicht und erinnert in seinen Auswirkungen an das esoterisch-merkantilistische Verhältnis zwischen P. Coelho und seinen erleuchtungswilligen Jüngern am Jakobsweg: So berichtet aktuell u.a. R. Düringer von seinen Erlebnissen als eremitistischer Schreibtruhenschieber auf den hier beschriebenen meditativen Pfaden im Nordwesten Wiens, wobei er seine Erlebnisse auf recyceltem WC-Papier unter dem Arbeitstitel: „Für manche ist es Klopapier, für mich die längste Serviette der Welt“ festhält. Spätestens H.P. Kerkelings Erzählung „Ich hab auch schon mal geschoben“ eröffnete in kürzester Zeit dieses literarische und freizeitwirtschaftliche Segment dem gesamten deutschsprachigen Literatur- wie auch Reisepublikum. Nicht verschwiegen werden sollte dabei allerdings, dass ein Teil dieses Verkaufserfolgs offensichtlich wiederum der überwiegend negativen Rezeption dieser Werke durch Literaturkritik und Feuilleton geschuldet ist („Ein Wegweiser für Machos ist noch lange keine Prosa“; „Ein Wiener Möchtegern-Roadmovie“ u.a.m.). Auch die jüngste Bestellung von Günter Nowak zum Kinderwagenbeauftragten der Stadt Wien blieb nicht unumstritten.
Der durch diese offenkundige Verquickung von Schriftstellern und Kritikern, Literatur und Kommerz und letztendlich auch politische Vereinnahmung der Kultur bereits massiv desavouierte Literaturbetrieb erhielt zusätzlichen Zündstoff durch die dramatischen Enthüllungen im sog. „Literarischen Testament“. Nachdem die Frankfurter Buchmesse 2013 aufgrund dieser Geschehnisse kurzfristig abgesagt wurde, wird die Schlussveranstaltung des diesjährigen Krachmannpreises zum Schauplatz der Diskussion über die Zukunft der deutschsprachigen Literatur an sich. Die Preisverleihung selbst gerät dagegen fast zu einem Nebenereignis. Dem Anlass entsprechend und mit spürbarer Hoffnung auf weitere Enthüllungen sind Andrang und Publikumsinteresse an der Schlussveranstaltung: Die Reihen eins bis fünf sind gefüllt mit den üblichen Vertretern der Bildungsbourgeoisie und medienfokussierten Politikern fast aller Coleurs. Erste Reihe Mitte sitzt die Noch-Bildungsministerin, platziert zwischen Landeshauptmann – dessen begrüßende Worte hatten die Rolle der Wagenburg im Werk Karl Mays als literarisches Vorbild für die mustergültigen, verkehrstechnisch-ästhetischen Lösungen der Kreisverkehre im Bezirk Tulln gewürdigt – und dem ORF-General. Dieser wiederum hatte sich in seiner Rede hoch erfreut gezeigt, die wirtschaftliche Sicherstellung dieser Kulturveranstaltung durch neue Möglichkeiten von Werbung und product-placement nachhaltig gesichert zu haben und firmiert dafür selbst in einem Arbeitsoverall der Stadtwerke Korneuburg; für die Bandenwerbung konnte der renommierte Orionverlag gewonnen werden. Die Eröffnungsrede und Gesamtperformance der Noch-Bildungsministerin, so die einhellige Meinung, zeugt bei ihrem wahrscheinlich letzten großen Auftritt in dieser Funktion von einer Grandezza, die zuletzt von Fred Sinowatz bei seiner Eröffnungsrede für die olympischen Winterspiele 1976 in Innsbruck erreicht wurde und bis heute den Maßstab der Stilsicherheit für spätere Generationen definiert. Die Reihen 5 bis 7 sind gefüllt vom who-ist-who des Meta-Literaturbusiness, wie Kritiker, Rezensenten, Fachjournalisten. Dahinter versammeln sich die eigentlichen Nutznießer der literarisch Produzierenden, die next- and overnext-generation der Söhne und Töchter, teilweise auch schon die Enkelgeneration der großen Herausgeber- und Verlagssippschaften, allesamt hoch an feingeistiger Tradition, auf komplexe Weise multivers sexuell oder familiär verflochten und untereinander überwiegend hochgradig verfeindet – besonders bei noch nicht vollzogener Scheidung. Relevante Ausschnitte der alten Generation der literarischen Szene – wie die Unselds, die Ullsteins u.a.m. haben sich dagegen noch rechtzeitig vor den aktuellen Enthüllungen in Refugien wie Alkoholismus, Familiengruften, Ibiza oder Alzheimer zurückgezogen bzw. wurden von besorgten, weil ebenso hoffnungsvoll erbberechtigten wie hoffnungslos verschuldeten Verwandten ebendahin befördert. Vor der daher von allen Anwesenden inkl. den notorischen Claqueuren der Szene mit größter Spannung erwarteten Diskussion und Preisverleihung, bei der durchaus auch die Option eines endgültigen Aus für Veranstaltungen dieser Art im Raum, unausgesprochen im Raum steht wird der Preisträger des heuer erstmals vergebenen Publikumspreises vorgestellt: Dieser ging mit großer Mehrheit an ein Werk, das sich dem anspruchsvollen Ziel widmete, das Phänomen Kreisverkehr sowohl aus literaturwissenschaftlicher als auch aus mathematischer Sicht zu erklären und für dieses anspruchsvolle Vorhaben einen überaus eleganten Zugang fand. Ausgangspunkt bildet das bisher nur ausgewiesenen Fachleuten bekannte Verhältnis zwischen Friedrich Schiller und Carl Friedrich Gauß. Gauß selbst hatte bei seiner Antrittsvorlesung 1808 in Göttingen Schillers „Archimedes und der Schüler“ zitiert. Während einander der große Mathematiker und Astronom und der Wilde der deutschen Romantik – soweit heute noch rekonstruierbar – einander persönlich nie begegnet sind, bildet überraschenderweise Wien – und hier konkret die Grenzregion des 2. und 20. Gemeindebezirks – die Schnittfläche, die erforderlich war, um diese großen Geister einander zumindest regional näherzubringen. Diese Region war bis zur Donauregulierung hauptsächlich Au- und Waldgebiet, wie die historische Gebietsbezeichnung „Wolfsau“ belegt. Historisch relevant wurde die Region – abgesehen von diversen römisch-markomannischen Scharmützeln – erstmals während des 30-jährigen Kriegs als sich zeitweise das Heerlager Wallensteins hier befand und am Namenstag der hl. Brigitta eine schwedische Granate im Zelt des Feldherrn einschlug, aber nicht explodierte. Die zum Andenken und Dank für seine Rettung von Wallenstein an diesem Ort errichtete Kapelle sollte später dem Bezirk seinen Namen geben. Zahlreiche Ortsbezeichnungen, Straßennamen und legendäre Pappenheimer erinnern in der heutigen 20. Wr. Gemeindebezirk noch heute an diese Epoche. Soweit der bekannte historische Hintergrund; es bedurfte aber eines bis dahin weitgehend unauffälligen Schülers einer lokalen Schule, um die im Prinzip evidenten Zusammenhänge zwischen Literatur und Mathematik, Sturm und Drang und Revolution der Zahlenlehre und des Dramas dieser Region zu erhellen. Ort dieser Sternstunde der Menschheit war eine traditionsbeladene, berufsbildende höhere Schule, welche in den frühen 80er Jahren des 20.Jahrhunderts von ihrem historischen Standort im 9. Wr. Gemeindebezirk in den 20. Bezirk verlegt, modernisiert und vergrößert wurde. In den ersten Jahren an diesem neuen Standort zeichnete sich diese Schule, neben zahlreichen anderen hervorragenden Leistungen, vor allem durch ein, den schulischen Anforderungen durchaus adäquates, Aufkommen an Schülerselbstmorden – unterstützt durch die Höhe des Gebäudes in Kombination mit hinlänglich gut zugänglichen Absprungflächen – aus. Um die literarischen Implikationen zu verdeutlichen, handelte es sich dabei eher um Motive eines Schüler Gerbers als um die Leiden eines jungen Werthers. Die Schule reagierte adäquat sowie ihrer inhaltlichen Ausrichtung konsequent und verschweißte die für diese Zwecke ausreichend hoch liegenden Ausstiegsmöglichkeiten. Mittels dieser effizienten pädagogischen Maßnahme konnte die Schülerzahl in den Folgejahren in akzeptabler Höhe gehalten werden. So kam im Jahre 1984 auch ein – a priori nicht als solcher eindeutig erkennbarer – Hochbegabter zur Matura, die ihn auch zu einer Reifeprüfung im Fach Deutsch, mit thematischem Schwerpunkt „Deutsche Klassik“, nötigte. Die notorische Verweigerung jeglicher Äußerung des zu Maturierenden auf noch so drängende Fragen der Prüfer nötigte schließlich den Vorsitzenden der Kommission – offensichtlich in Ahnung des hier schlummernden Genies – zu einer fast schon verzweifelten Aufforderung und Bitte um Teilhabe an dessen verborgenem Wissen: „Lieber Kollege! Wenn Sie hier aus dem Fenster blicken und dazu auch noch an unseren Bezirk denken, müssen Sie doch etwas zu Schiller zu sagen haben. Bitte nur um ein Wort, nennen Sie uns doch ein Schauspiel der deutschen Klassik!“ Der verzweifelte Gestus dieses Kleingeists erreichte offensichtlich tatsächlich den Schüler, der bislang nur zusammengekauert und weitgehend unerreichbar vor sich hin gestarrt hatte. Nach einigen weiteren Momenten tiefer Reflexion erfolgte schließlich die erlösende Antwort, wenngleich mit fragendem Unterton: „Gauß?“ Ein Raunen ging durch den Saal. Mit diesem Hinweis auf die Manifestation eines Zusammenhangs zwischen Schillerscher Ästhetik und Gaußscher nichteuklidischer Geometrie in Form der Kreisverkehrslösung des gleichnamigen Platzes eröffnete dieser junge Mann einen der anspruchsvollsten aktuellen wissenschaftliche Diskurse der Gegenwart.
Nach dieser kurzen Würdigung des mit dem Publikumspreis gewürdigten Beitrags leitet die Moderation mit einer Zusammenfassung der aktuellen Ereignisse zur Publikumsdiskussion und abschließenden Preisverleihung über: „Das in der FAZ unter dem Titel veröffentlichte „Literarische Testament“ von Marcel Reich-Ranicki enthüllte, dass der „Literaturpapst“ bereits seit mehr als 30 Jahren als Ghostwriter für seinen vermeintlichen Intimfeind Martin Walser geschrieben hatte. In Form seiner literaturkritischen Vernichtungsfeldzüge gegen die von ihm selbst verfassten Werke kreierte Reich-Ranicki gemeinsam mit Walser einen publikumswirksamen und damit absatzförderlichen Literaturstreit. Als geeignetes Werkzeug der Publizität wurde das literarische Quartett mit exakter Rollenverteilung zwischen M. Reich-Ranicki, S. Löffler und H. Karasek entworfen. Das gesamte Design dieses großangelegten und langjährig entwickelten literarischen Komplotts ist als Höhepunkt des vermeintlichen Literaturkriegs zwischen Walser und Reich-Ranicki im Buch „Tod eines Kritikers“ nachzulesen. Das vollständig von Reich-Ranicki verfasste und unter dem Namen M. Walser perfekt verkaufte Skandalwerk entpuppt sich nunmehr als ein Schlüsselroman im Schlüsselroman. Zu ihrer Rolle innerhalb dieses Kunstprojekts und insbesondere ihres theatralischen Abgangs aus dem literarischen Quartett, nachdem ihr Reich-Ranicki öffentlich kein Gefühl für Erotik bescheinigt hatte, nahm mittlerweile auch Sigrid Löffler Stellung: Ihre jüngste Eröffnung, dass sie als die wahre Autorin hinter dem literarischen Erfolg von „Feuchtgebiete“ stecke, die Kunstfigur Charlotte Roche als Autorin designt habe und überdies in Hamburg einen prominenten SM-Swinger-Club betreibe, sorgte für den nächsten Skandal. Walser erklärte zeitgleich seit mehr als 30 Jahren „kein einziges Wort mehr selbst geschrieben zu haben“ und insbesondere der immer stärker aufbrechende Antisemitismusvorwurf gegen ihn sei von ihm und Reich-Ranicki in Kooperation genussvoll vertieft worden. Walser selbst habe sich dagegen mit Wonne seiner Aufgabe als „Befruchter der deutschen Kulturszene“ – u.a. bisher nachweislich in Person Jakob Augsteins, des vermeintlichen Sohnes von Rudolf Augstein – gewidmet. Die Liste der literarischen Kuckuckseier im eigentlichen, wie auch übertragenen Sinne sei – so Walser – nach wie vor unvollständig und werde noch für so manche Überraschung sorgen.
Die Reaktionen auf all diese Enthüllungen schwanken mittlerweile zwischen Empörung über den Betrug und Begeisterung über eines der gewaltigsten Kunstprojekte, das jemals realisiert wurde. So spricht Umberto Eco in seinem Aufsatz „Una Rotonda Letterario” bereits vom komplexesten Fälschungswerk seit den Stiftungs-urkunden des Vatikans im Mittelalter.
Obwohl man dieses literarische Komplott schon längst hätte durchschauen können, bleiben nach wie vor viele Fragen offen: So über die Rolle der Herausgeber und Verlagshäuser, über Art und Umfang von Absprachen zwischen schreibender und kritisierender Zunft bis hin zum Generalverdacht, dass von teilwiese bis vollständiger Identität zwischen Schriftstellern und Kritikern auszugehen sei. Diese Fragen werden zu diskutieren sein: „Wer steckt tatsächlich hinter den Glavinics, Köhlmanns und sonstigen Stars der Literaturszene? Ist St. Loicht wirklich der großzügige Gastgeber eines literarischen Salons und schriftstellerische Feingeist oder doch eher ein Agent Suhrkamps? Erklärt die augenscheinliche Ähnlichkeit H. Karaseks mit V. Stehmann dessen bislang ungeklärte Rolle im literarischen Betrieb? Und war in den Krachmännern der letzten Jahre tatsächlich überall „Wurst“ drinnen, wo „Wurst“ draufstand? Eine Frage, die ab heute nicht mehr mit einem einfachen „Ja Natürlich!“ abzutun sein wird.
Nachtrag und Werkschau: Die Beiträge zum diesjährigen Krachmannpreis (literarisches Restlverwerten)
Die Beiträge
Ein aufschlussreiches Werk mit dem Titel „Das UNG an sich“ widmete sich der Genese der in ihrer Bedeutung bislang kaum erkannten deutschen Silbe „UNG“ – abgeleitet aus einer Abstraktion des Kreisverkehrs als einer Sonderform der Kreuzung. Mit dem Titel „Was bleibt für den Kreisverkehr, wenn man das „Kreuz“ entfernt? – Das UNG“ Schon die lautmalerische Bedeutung von „-UNG“ (langsam und laut ausgesprochen) verweist auf dessen atavistische Komponente. Eine detaillierte Analyse der indogermanischen Wurzeln von „-UNG“ belegt eine zu Grunde liegende einheitliche Bedeutung von einem Übermaß an Zugang und einem gleichzeitigen Defizit an Abfuhr, man denke in diesem Zusammenhang an Worte wie „Bläh-UNG“, „Verstopf-UNG“ u.a. und deren evidente Analogie zur Situation am Verteilerkreis zur Stoßzeit (UNG!).
Ebenfalls erhellend war ein Beitrag mit dem Titel „Mythos Kreisverkehr“, der die rituelle Bedeutung des Kreisverkehrs als verkehrstechnische Aktualisierung des Tanzes um Feuer, Heiligtümer („Goldenes Kalb“, Kaaba u.a.m.) thematisiert. Ebenso grundlegend präsentierte sich die historisch orientierte Abhandlung „Von den Mauern von Jericho zu Circus Maximus und Hippodrom – zur Genelogie von Kreisverkehr und Formel 1“. Die Kurzgeschichte „Kreisverkehr oder Einbahn – was kam zuerst?“ beleuchtete einen bislang kaum beachteten Aspekt der Verkehrspolitik.
Interessant waren auch inhaltliche Details eines Beitrags zum Thema „Kreisverkehr und Admiralität“, der sich mit den formal vergleichbaren Kreisverkehren des Londoner Trafalgar Square und des Wiener Pratersterns sowie deren jeweiligen zentralen Denkmälern für Lord Nelson bzw. Admiral Tegetthoff beschäftigte. Während die letzte Reise von Lord Nelson in einem Fass Branntwein als bekannt vorausgesetzt werden kann, war die Rolle des einäugigen britischen Nationalheldens bei der Kanonade Kopenhagens für viele – auch historisch versierte Hörer – neu: Als die dänische Hauptstadt kampfunfähig geschossen war und weiße Fahnen hisste, hielt sich Nelson das Fernrohr vor sein Glasauge und erklärte keinen Willen zur Kapitulation der Stadt erkennen zu können. Auch dafür bescherte ihm London ein wahres Megaevent von Begräbnis. Makellos nehmen sich dagegen die Biographie und Ende des Helden der k.u.k – Seegeschichte aus: er starb im Bett und hinterließ gerade mal das bescheidene Erbe von 267 Gulden und 40 Kreuzern. Während die weitere Verwendung des für Nelsons Überführung verwendeten Branntweins historisch ungeklärt bleiben muss, ist die weitere Bedeutung des Hauptnahrungsmittels Nr. 1 der k.u.k – Flottilie, in Form des Inländerrums insbesondere für die Kulturgeschichte der Monarchie evident.
Ein komplett anderer Zugang zum Thema Kreisverkehr wurde dagegen in Form einer Aktualisierung des Motivs des Reigens nach Schnitzler mit dem Titel „Atemlos im Laufhaus“ gefunden. Ebenfalls der österreichischen Literatur verpflichtet zeigte sich ein Werk mit dem Titel „Der Bauer als Millionär“, das die feinen Verflechtungen zwischen Flächenwidmung und verwandtschaftlichen Verhältnissen beleuchtet. Vor allem bundeslandzentriert war dagegen ein ästhetischer Diskurs über die Design und Gestaltungsmöglichkeiten für Kreisverkehre anhand der Lösungen rund um die Bezirkshauptstadt Tulln mit dem Titel „Kunst im Straßenbau“. Dieser Beitrag sowie die Thematisierung der Bedeutung der Wagenburg im Gesamtwerk Karl Mays als „Manifestation zirkulärer Strukturen im Transitverkehr des 19. Jahrhunderts“ erhielten Förderungspreise des Landes Niederösterreich.
Ein Produkt mit dem Titel „Wimmerlausdrücken unter besten Freundinnen“ stieß auf Grund seiner teilweise drastischen Beschreibungen zirkulären Austauschs diverser Körperflüssigkeiten und Sekrete zwar bei Teilen des Publikums auf Ablehnung, erzeugte aber unmittelbar einen Disput bezüglich Aspekten der Selbstbestimmung des weiblichen Körpers versuch Pornographieverdacht zwischen radikalen PostfeministInnen und der Gruppe
der sog. Neuen Mädels. Aufgrund massiver Plagiatsvorwürfe wurde das Werk vor der Schlussveranstaltung zurückgezogen.
Die physikalisch-futuristische Erzählung „Hinter dem Ereignishorizont“ mit einer überaus plastischen Darstellung der Spaghettisierung der Protagonisten bei deren Übergang in die Singularität überforderte offensichtlich die Mehrzahl des Publikums und der Kritik durch seine Vieldimensionalität sowie sein zu Grunde liegendes holographisches Konzept, konnte aber trotzdem ein kleines Fachpublikum erreichen. Die an E.A. Poe angelehnte Novelle „Im Malstrom – Kreisverkehr nautisch betrachtet“ wurde dagegen von diversen Gothic-Fans unter den Zuhörern durch düsteres Schweigen und spürbare Verfinsterung heftig akklamiert. Unter dem Titel „Hörbiger, Rudas, Karmasin, Pelinka und Gudenus – dynastische Tendenzen im republikanischen Umfeld. Oder: Es setzt sich ja doch noch Eignung und Begabung durch“ wurde schließlich, wenngleich in etwas tendentieller Weise der leise Verdacht auf zirkuläre Karriereverläufe durch genetische Determination geäußert.
Diskussion und Anregungen zur Metakritik
Für die nun anstehende Diskussion über das zirkuläre Verhältnis zwischen Literatur und Kritik sowie kritische Würdigung inkl. Preisverleihung im Rahmen des Krachmannpreises 2013 möchte ich an die Situation erinnern, als der niederländische Philosoph Baruch Spinoza seinen Tractatus theologico-politicus 1670 in Amsterdam veröffentlichte: Da man fürchtete, dass der zu kritisierende Inhalt für den Kritiker selbst nur auf Grund des bloßen Lesens, die Rückwirkung haben könnte, inklusive des kritisierten Werks sicherheitshalber dem Feuer der Inquisition überantwortet zu werden, verweigerten sich so lange wie möglich alle potenziellen Kritiker dieser Aufgabe. Als schließlich ein Professor der Universität Utrecht – wohl kaum freiwillig – das Werk Spinozas redigieren musste, verfasste er dazu die bis heute wohl präziseste Kritik der Literaturgeschichte: „liber pestilentissimus!“ Dass das Werk in Folge verboten und vermutlich zum letzten Mal in Einhelligkeit von Katholiken, Protestanten, Juden und Moslems verdammt wurde bietet wohl nicht nur ein Musterbeispiel für Möglichkeiten des interreligiösen Dialogs, sondern auch für den Umgang mit Literatur an sich.