Kreisverkehr

Stefan Wurst

Das Bundesland Salzburg, weithin für die Trapp-Familie, seine Festspiele und Wolfgang Amadeus Mozart bekannt, verfügt nicht nur über mehr als 300 (nun nicht mehr so geheime) Geheimkonten, über die zu Spekulationszwecken zuletzt im Jahr 2012 der Bagatellumsatz von 9,5 Milliarden Euro abgewickelt wurde, dies natürlich neben dem offiziellen Haushalt, der für das ganze Bundesland jährlich immerhin noch ein schwaches Viertel dieser Summe erreicht, nämlich 2,2 Milliarden Euro; man wollte wohl im Sinne einer vorweggenommenen Verwaltungsreform die überbürokratische Aufblähung des Landeshaushalts durch überflüssige Verschriftlichung unwichtiger Detailinformationen vermeiden, – was ja nun aber auch wirklich gelungen ist; das Bundesland Salzburg verfügt jedoch in seiner allumfassenden Serviceorientiertheit darüber hinaus auch über eine Internetseite, die sich unter dem Titel „Befahren von Kreisverkehren“ – hehe, keine Themaverfehlung! – diesem brennenden Problem zeitgemäßer Mobilität widmet und uns darüber informiert, dass „der Kreisverkehr eine in sich geschlossene, gegen den Uhrzeigersinn zu befahrende Einbahnstraße ist“. Gleich im Anschluss erfahren wir: „Die Kreuzung ist eine Stelle, auf der eine Straße eine andere überschneidet oder in sie einmündet“. Dann folgen zu den Themen EINFAHREN IN DEN KREISVERKEHR, FAHREN IM KREISVERKEHR und AUSFAHREN AUS DEM KREISVERKEHR unschätzbar wertvolle Ratschläge, deren Neuigkeitswert den ganz und gar überraschten Leser zunächst auf sich selbst zurückwerfen um ihn dann in verzweifelter Hilflosigkeit alleine lassen: Die Komplexität und der Informationsgehalt dieser Weisheiten lassen beim Konsumenten allerdings schnell die leise Hoffnung aufkeimen, im Straßenverkehr niemals einer Person, vor allem niemals einem Fahrzeuglenker, zu begegnen, der dieser Tipps auch wirklich bedarf, – wie etwa “das Ausfahren aus dem Kreisverkehr ist ein Einbiegen nach rechts”! Ei, wer hätte das gedacht?

Nun ja, damit aber nicht genug: Es wird noch gespenstischer. Zum guten Ende der Seite findet sich nämlich der Hinweis:
„Rückfragen:“ (An dieser Stelle beginnt man zu beten, egal ob man gläubig ist oder nicht, dass es keine geben möge, jedenfalls keine Rückfragen von Menschen, die ein Fahrzeug lenken wollen.)

Also, „Rückfragen: Mag.a Helga Stadlmayr, MBA“

Magistra wird mit „Mag“ und dem Satzzeichen Punkt sowie einem angehängten „a“ dargestellt. „Fragen sie Frau Helga“ hieß es ja bis 2006 auch in der Kronen Zeitung.

Jaja, ich weiß, das gehört sich jetzt so. Alles brav dschendern. Aber, Hand aufs Herz: Hat man je ein „guten Morgen, Frau Magistra“ gehört? – Nein! Weil´s eben ein bissl blöd klingt.

Viel amüsanter wird es aber bei der Frau Doktor, die ja jetzt mit „Dr.in“ abgekürzt wird, also „Dr – Punkt – in“. Ich hatte über mehrere Monate Korrespondenz mit einer Dame zu führen, die gar zwei Doktorate hatte und darauf bestand, mit „Dr.in Dr.in“ adressiert zu werden. Zu einem verbalen „Grüß Gott, Frau Dr.in Dr.in oder Doktorin Doktorin“ kam es aber nie. Das Sekretariat der betreffenden Dame ließ das meinige allerdings wissen, dass eine zeitgemäße Textverarbeitung über die Möglichkeit verfüge, das „in“ in Kleinbuchstaben hochzustellen, sodass dann „Dr.“ in normaler Schriftgröße, das „in“ in Kleinbuchstaben fliegenschissartig schräg rechts über dem Punkt schweben könnte. Ich äußerte die Vermutung, dass dieser Hochstellungswunsch im Zusammenhang mit einem ernsten – ähnlich gelagerten – Problem der betreffenden Dame zu sehen sein könnte.

Obwohl ich mir des gefährlichen Umfeldes hier durchaus bewusst bin, sogar der Gastgeber gilt als binnen-I-freundlich gesinnt – und obwohl ich gerne zugebe, dass etwa im Italienischen die Anrede „Dottoressa“ durchaus schön klingt und auch Tradition hat, (seit halt Frauen auch studieren dürfen), kann ich der Versuchung doch nicht ganz widerstehen, den postgradualen Zweittitel der betreffenden Frau Magistra Helga Stadlmayr ein wenig näher zu betrachten; dies natürlich streng unter dem Aspekt des geschlechtsspezifischen Zuganges.
MBA ist ja – unter anderem – die Abkürzung für den Titel „Master of Business Administration“.

MASTER?

Also, bitte: MASTER?

Eine „Mistress of Business Administration“ ist generell unbekannt. Hab´s gegoogelt, – gibt’s echt nicht! Wieso aber eigentlich? Political correctness kommt ja aus dem angloamerikanischen Raum und wertet primär sprachliche Formulierungen im Hinblick auf ihre tatsächlich oder vermeintlich diskriminierende Bedeutung oder Konnotation. Natürlich ist uns allen bekannt, dass sich politische Korrektheit ganz allgemein gegen abwertenden oder gedankenlosen Sprachgebrauch richtet, aber Ausgangspunkt war doch der Vorwurf an die Mehrheitsgesellschaft, vor allem androzentrisch geprägte Begriffe zu verwenden. Vielfach wird behauptet, dass männliche Bezeichnungen im generischen Sinn Frauen aus der Wahrnehmung ausblenden und daher zu eliminieren sind, – nicht die Frauen, die Begriffe!

Dies geschehe durch das Binnen-I oder durch die Nennung des Begriffes in beiden Geschlechtern.

(Also: „Liebe ÖsterreicherInnen!“ oder „liebe Österreicher und Österreicherinnen“…)

Das Binnen-I hat halt den unwiderlegbaren Nachteil, einer verbalen Umsetzung nicht wirklich zugänglich zu sein. Die Österreicher (also alle) vor allem verbal mit „liebe ÖsterreicherInnen“ anzusprechen, ist ja wohl Unfug.

Im deutschen Sprachraum liegt dieser ja vor allem aus den USA kommenden Bewegung vielfach die Verwechslung zwischen dem grammatischen und dem biologischen Geschlecht zugrunde. Genus und Sexus sind nun einmal zwei verschiedene Paar Schuhe. Andernfalls könnte man dem Leitgestirn sprachlicher Vereinnahmung, Überschwemmung, Durchdringung und Usurpierung, nämlich der englischen Sprache, wohl den ziemlich schwer widerlegbaren Vorwurf machen, überhaupt nur das männliche Geschlecht zu kennen. Das Englische hat ja schlicht keinen weiblichen Artikel. The woman, – der Frau! Die Franzosen – diesbezüglich doch schon weit großzügiger – bedienen sich auch des weiblichen Genus in ihrer Sprache, vernachlässigen aber – politisch sicherlich auch bedenklich – das weite Feld des sächlichen grammatischen Geschlechts. Die deutsche Sprache erweist sich somit einmal mehr als Fanal geschlechtlicher Präzision und Ausgewogenheit.

Aber kurz zurück nach Salzburg: (Jaja, ich weiß, kleinlich von mir, schon wieder die paar Milliärdchen anzusprechen.)  Also in Salzburg weist das landeseigene Buchhaltungssystem per Ende 2012 stolze 1,4 Milliarden Finanzschulden aus. Tatsächlich ergab sich nach der Prüfung durch den Rechnungshof nun ein Finanzschuldenstand von 4 Milliarden Euro.

Frage: Naja, wer nimmt es denn da immer so übergenau?

Antwort: Eh niemand, denn auch der Rechnungshof hält in seinem Bericht fest, dass es ja auch mehr als 4 Milliarden sein könnten, man könne das aber auf Grund der „mangelhaften Verbuchung“ und der „schlechten Datenlage“ nicht so genau feststellen.

Beruhigend aber wenigstens die offizielle Stellungnahme des Bundeslandes Salzburg dazu: „Das Land Salzburg erklärt, dass man Arbeitsgruppen über die Neustrukturierung des Finanzbereichs eingerichtet hat“.

Na dann…

Aber jetzt wieder zur sprachlichen Weiterentwicklung in Richtung politischer Korrektheit und braver Dschenderei. Nicht alle Entwicklungen sind ja negativ. Während das ganze Gedoktorinne unbestreitbar etwas hölzern und verkrampft wirkt, gibt es aus Deutschland beispielsweise auch positive Signale. Zwar können über 60 Millionen Menschen in Deutschland nicht korrekt Türkisch, aber immer mehr Deutsche beherrschen das moderne Deutschtürkisch, man weiß schon: krass, krass, krass. Eine deutsche Kabarettistin hat das auch in einem erfolgreichen Sprachkurs umgesetzt. Der Satz: „Ich bin Orhan, ich wohne in Deutschland“ lautet in korrektem Deutschtürkisch: „Alder, ey, bin isch Orhan, wohn isch in Schweinefresserland.“ Sollte der Satz gegenüber einer unbegleiteten Frau verwendet werden, ist unbedingt noch ein „du Hure!“ hinten anzuhängen. Dieser erfrischend entspannte Umgang mit dem Rollenbild der Frau und dem einen oder anderen Vorurteil ringt
uns doch neidvolle Bewunderung ab; und die gute Nachricht ist: Immer mehr Menschen beherrschen das völkerverbindenede Deutschtürkisch.

Aber was für sprachliche Entwicklungen kann man schon aus einem Land erwarten, wo unsere schöne Wachau „Wáchau“ genannt wird, „Damóklesschwerte“ schwebend pendeln, Politiker mit oder ohne „Chárisma“ am Werk sind und die Nudeln mit „Pármesan“ bestreut werden. Dort hört man auch von „Mássakern“ und wünscht sich sogar manchmal eines herbei, auf dass es als „fínale“ Befreiung unter diversen Wortgebilden wüte.

Da bleibt dann am „Hórizont“ bloß noch ein wenig Geruch nach „Ámmoniak“ übrig.

Aber wenn wir schon dabei sind: Verbreitet wird ja auch an Wortschöpfungen für viele diskriminierende Begriffe, beispielsweise für das Wort „Behinderter“ gearbeitet: Etwa „Mensch mit abweichenden Begabungen“ oder „Mensch mit kognitiven und differenziellen Einschränkungen“ hat man schon gehört und gelesen. Demgegenüber hat man im romanischen Sprachraum wenig Bedenken gegen die Worte „minusválido“, „invalide“ und ähnliche Zusammensetzungen, obwohl deren Bedeutung zwischen „weniger wert“ und „wertlos“ oszilliert.

In Paris beherbergt ja der Invalidendom sogar das Grabmal Napoleons, – und dazu könnte einem natürlich so manches einfallen.

Beispielsweise die interessante Tatsache, dass Frankreich mit etwa 20.000 Kreisverkehren mehr als die Hälfte der weltweit vorhandenen Exemplare besitzt; wenn man allerdings in manchen Teilen Österreichs unterwegs ist, gewinnt man den Eindruck, dass die für den Straßenbau in unserem schönen Land zuständigen Politiker Kreisverkehre als eine Art Gnadenbeweis der heiligen Mutter Gottes von Lourdes ansehen und Frankreich seine – noch – einsame Vormachtstellung keinesfalls kampflos zu überlassen gewillt sind.