Kreisverkehrt

Wolfgang Weißensteiner

Ich liebe dieses Thema, dachte ich, bis alles was mir, auch nur im Entferntesten, dazu einfiel den schalen Geruch des Biertisches verströmte. Stau, Geranien, einfältiges künstlerisches Mittelmaß und, natürlich, man muss seinen Mittelklasseboliden samt Sonderausstattung verlangsamen um durch die asphaltierte Darmschlinge zu steuern deren Fortsätze mir die Entscheidung zwischen Bad Pritzingsau an der Wulzach und Kleinflattighofen auch nicht erleichtern, aber, immerhin, wenn ich einmal drum herumfahre kann ich umkehren.

Er gleicht einer alternden Hollywood-Diva deren zahlreiche Liebschaften, Ehen, Misserfolge und Skandale uns niemals erfahren lassen wer wirklich dahinter steckt. Die österreichische Paris Hilton, prätentiös und je nach Anlass, in diesem Fall ein örtlicher, noch hässlicher als gestern und wahrscheinlich auch nicht weniger kostspielig.

„A Pain in the Ass“.

Dreihundert gibt es davon in Niederösterreich und die niederösterreichische Politik als Schutzmantelmadonna dieses Schmerzes gäbe auf den ersten Blick eine fantastische Angriffsfläche für jene Wutbürger ab, denen durch fortgesetzte politische Kriminalisierung von Ausländern, aufklappende Gehaltsscheren, Armutsgrenzen oder theresianische Bildungsstrukturen kein müdes Gähnen zu entlocken ist.

50,8% Zustimmung für die regierende Partei bei der letzten Landtagswahl lassen vermuten, dass das Ausmaß der Zufriedenheit weit größer ist als die Wut auf jene Knechtschaft in der sich der Biertisch und nicht nur er, sondern auch der sich für aufgeklärt haltende kreative Leistungsträger, zu leben wähnt.

Die Sehnsucht nach einer Gesellschaft, in der uns Regulative vor den Gefahren der persönlichen Entscheidung schützen, lässt uns offenbar die Enge für den Alltag wählen und uns umso mehr den tristen Mief der darin herrscht lauthals nach draußen blasen.

Der Kreisverkehr erfüllt diese Sehnsucht mit täglicher Hoffnung. An seiner Einfahrt sind sie alle gleich, der Wiener Bobo im Family-Van, der einmeterfünfundsiebzig große SUV Fahrer, der A 8 lenkende Leistungsträger und der Pendler der die Verwechslung von Infrastrukturpolitik mit Asphaltierungsmaßnahmen durch tägliche Gefahr auf der Straße und exorbitante Lebenskosten bezahlt.

Dabei könnte doch gerade in solchen Situationen so viel mehr an Lebensgefühl zu tanken sein. Wer jemals bei „San dona di Piave“ in einem der mächtigen, dreispurigen Verkehrsverteiler, wie sie nur Gesellschaften mit jener großen Vergangenheit, wie die unserer südlichen Nachbarn, zu entwerfen imstande sind, vor einer erbosten Urlauberkolonne quer zur Fahrbahn stand, weil eine Vollbremsung die einzige Möglichkeit bot Eberhard aus Esslingen, sprich, seinem dreieinhalb Tonnen schwerem Wohnmobil, welches er aus der dritten, innersten Spur kommend, tangential Richtung Ausfahrt Jesolo Lido steuerte Platz zu machen, wird zwischen Gmünd und Mariazell genau dieses Hochgefühl vermissen.

Obwohl, mein Freund Herbert erzählt gerne die Geschichte als er Ende der Siebziger als Führerscheinneuling gegen Mitternacht mit ein paar Schulkollegen einen bei Trumau gelegenen Kreisverkehr aufsuchte um die möglichen Kurvengeschwindigkeiten der durch Matura und Ferialjobs erwirtschafteten Fahruntersätze auszutesten. Als einer der Kollegen auf die Idee kam die Leistungsfähigkeit seiner Maturantenschüssel im Rückwärtsgang zu erkunden, krachte er in den Mercedes eines versprengten Bauern. Die von diesem herbeigerufenen Gendarmen unterbrachen die wild gestikulierend vorgebrachten Anschuldigungen des geschädigten Lenkers mit der Frage „Hams was trunken?“. Durch den Alkotest ermittelte 2,1‰ erstickten jede weitere Diskussion im Keim und entließen die jugendlichen Lenker, inklusive einer Entschuldigung der Gendarmen, dass einfach unglaublich viele Deppen unterwegs seien,  in ein Leben mit der Gewissheit für immer unter dem Schutz des Kreisverkehrs zu stehen.