Fug und Unfug

Stefan Wurst

Ich verfuge, nein, ich verfüge (da sieht man, was zwei kleine Punkterln für einen Un-terschied machen können, - ohne Punkterln: Silikonspritze in der Hand; mit Punkterln: Entscheidungsträger, Besitzer, Verfüger halt), also ich verfüge – und ich merke dies hier nicht ganz ohne Stolz an – über eine Gravur meines – zugegebenermaßen ver-besserungsfähigen, aber durch Conchita mittlerweile wenigstens zu umfassender Bekanntheit gelangten – Namens auf dem Krachpokal, - weiters über mannigfache zweite, Ehren- und Trostpreise, zu welchen unter anderem eine (nur leicht beschädigte), fast-chinesische Porzellanstatuette eines ganz offenkundig volltrunkenen Derwischs, weiters ein beinahe vollständiges Schnapskartenspiel mit einem Foto des ehemaligen Verteidigungsministers Robert Lichal auf den Rückseiten der Karten, ALLER Karten, dann noch ein in Plastik gehaltenes, rundes, natürlich rotes, etwa zehnschillingstückgroßes Emblem mit aufgeklebter Sicherheitsnadel zum Anstecken am Revers für 30-jährige Zugehörigkeit zur SPÖ sowie ein (vermutlich irakischer) Polizeiorden samt repräsentativer, kunstlederbezogener, karmesinroter, innen velourausgeschlagener Präsentationsschatulle zählen, sodass ich – eben aufgrund dieser sozusagen preislichen Arriviertheit – dem (an sich unverschämten) Ansinnen unseres spiritus rector Stefan Loicht näher zu treten bereit war, meinen Beitrag heuer außer Konkurrenz einzureichen. (Ich halte aber ausdrücklich fest, dass es sich hierbei um eine einmalige Ausnahme handelt, da in meiner Krachmannvitrine noch einige freie Regalbretter sehnlich auf Befüllung warten; in diesem Zusammenhang darf ich den Juroren für nächstes Jahr den Hinweis geben, dass ich bis dato beispielsweise weder mit einem Großen Goldenen Ehrenzeichen mit Stern und am Bande für Verdienste um den Krachmann-Wettbewerb noch mit einem Sonderpreis für mein literarisches Lebenswerk ausgezeichnet wurde).

Aber mein bescheidenes Zurücktreten dient ja, wie man in solchen Fällen zu sagen pflegt, einem guten Zweck.

Doch davon später.

Die schon traditionelle Themenkritik fällt heuer relativ wohlwollend aus, zumindest hälf-tig, also betreffs „Unfug“. (Gegen das Bindewort „und“ lässt sich ja sowieso nichts ein-wenden.) „Fug“ hingegen, … naja.

Es ist zweifellos schon als positive Entwicklung zu werten, wenn ein Thema – und sei es auch nur zu 50 Prozent – überhaupt brauchbar ist: Mit „Unfug“ kann man ja wirklich arbeiten. Wenn man bedenkt, dass das Thema des ersten Krachmann-Wettbewerbes „Anzeichen für vulkanische Tätigkeit in Mitteleuropa“ war, so erkennt man unschwer die enormen Fortschritte, den jene höhere Mächte, die für die Themenstellung verantwortlich sind, im Lauf dieser zehn Jahre gemacht haben.

Um wie viel öfter begegnet einem Unfug als es Anzeichen für vulkanische Tätigkeit in Mitteleuropa tun? Übrigens: Ich weiß nicht, ob ich es vielleicht schon einmal erwähnt habe, aber mein Beitrag zu der bewussten Vulkananzeichengeschichte wurde von der Jury damals in einer krassen und von ihr sicherlich bis heute bedauerten Fehl-einschätzung als Themenverfehlung bewertet und somit nicht mit dem ihm zukom-menden - … aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, ich glaube, dass ich das doch schon einmal (so am Rande vielleicht) thematisiert haben könnte…

Zum aktuellen Thema: Wie immer anfangs der Recherche ein Blick ins Internet:

Dictionary weiß über „Fug“ und „Unfug“ allerdings nicht viel Neues zu berichten:

So erfahren wir lediglich, dass erstens „Fug“ und „Unfug“ Gegenwörter sind, zweitens über kein Plural verfügen (womit sie sich aber – dieser Hinweis stammt nicht von Dic-tionary sondern von mir – in durchaus achtenswerter Gesellschaft etwa der Wörter Weltall, Butter, Hunger, Durst, Obst, Liebe, Hass, Erbrochenes, Gesottenes, [auch von erbrochenes Gesottenes], Schnee und Schlagobers [somit natürlich auch von erbro-chenes Schlagobers) befinden) und – wer hätte das gedacht – drittens, dass das Wort „Unfug“ ungleich häufiger im Sprachgebrauch auftaucht, als das Wort „Fug“, das mehr oder weniger nur in Zusammensetzungen wie „Befugnis“ und in der Redewendung „mit Fug und Recht“ Verwendung finde. Eine Begründung für letztere Tatsache bleibt uns das Internet jedoch schuldig, weshalb ich sie hier gerne nachreiche:

Man sehe sich – siehe oben – einfach um in der Welt – um wie viel häufiger begegnet uns Unfug als dessen Gegenteil?

Eben.

Dass die Vorsilbe „un-“ generell nicht nur zur Bildung der Negation bei Substantiven und Adjektiven sowie als Augmentativsuffix dient, sondern darüber hinaus auch, wie seinen synonymen Vorsilben „a-„ und „in-„ zu entnehmen wäre, seine Entsprechung im altgriechischen Alpha Privativum findet, erfährt man – man hat es schon erraten – im Internet gleichfalls nicht, sondern bloß hier, - beim Krachmann.

Gerne geschehen.

Unfug begegnet uns ja wirklich auf Schritt und Tritt und fließt vermutlich deshalb auch so leicht aus der Feder.

So berichtet z.B. die hannoversche Tageszeitung „Neue Presse“ unter der Überschrift „Möpse einer Frau vertreiben Exhibitionisten“ folgendes:

„Mit Hilfe ihrer beiden Möpse hat eine 55-jährige Frau im niederbayrischen Schwarzach einen Exhibitionisten in die Flucht geschlagen. Als ihr der Täter splitternackt ent-gegenkam, ließ die Frau einfach ……“. Und so weiter.

Man könnte aber zum Beispiel auch erwähnen, dass Hyänen mit Strähnen in den Mähnen es nur selten ersehen, neben Dänen mit schlechten Zähnen, die grade gähnen, zu lehnen.

Auf einem Dreieckständer am Bozner Platz in Innsbruck war im Oktober 2011 zu lesen:

„Laufschuh
Aktion
Einzelstücke zum 1/2 Preis“
[Hab ich ein Foto davon mit!]

Man sieht schon, Unfug geht irgendwie immer.

Es soll aber hier auch ein krachmannreflexiv-meditativer Teil nicht fehlen:

Wir treffen uns nun immerhin schon zum zehnten Mal hier beim allgemein anerkannten Leitgestirn aller Literaturwettbewerbe, wofür ich im Namen aller Kracher unseren Gastgebern Sabina und Stefan sehr herzlich danke.

In Stefans Auftrag und im Einvernehmen mit wohl allen Krachteilnehmern soll an dieser Stelle heute erstmals ein offizieller (und ausnahmsweise ernst gemeinter) Dank an die Jury ergehen. Dieser Dank ist umso mehr fällig, als uns der unbestrittene Doyen der Jury, Horst Christoph, heuer zum letzten Mal die Ehre als Juror gibt. Wie der Pressesprecher des Unternehmens in solchen Fällen gleich nachzureichen pflegt, scheidet Herr Dr. Horst Christoph auf eigenen Wunsch, im Einvernehmen mit dem Konzernvorstand und dem Betriebsrat sowie im Sinne der vertraglichen Vereinbarungen unter selbstverständlicher Wahrung seiner Bonuszahlungen, Bilanzgelder, Sondergratifikationen, Schmutz-, Höhen-, Gefahren- und Bekleidungszulagen, Diä-tenersätze, Endigungs-, Urlaubs-, Pensions- und Betriebszusatzpensionsansprüche aus seiner Funktion aus, und wir wünschen ihm für seinen weiteren beruflichen Werdegang alles Gute.

Lieber Horst, jetzt im Ernst: Danke!

Fug und Unfug.

Eine, was sage ich, DIE Metapher für den Krachmann-Wettbewerb:

Alljährlich kommen ansonsten unauffällige Menschen hier zusammen, um einander in literarischem Dilettantismus zu begegnen. Teils sieht man sich das ganze Jahr über regelmäßig, mehr oder weniger häufig, teils nur dieses eine Mal, eben beim Krachmann-Wettbewerb. In jedem Fall aber hat sich eine ganz spezielle Art von Verbundenheit der Krachteilnehmer entwickelt, die dieses Ereignis für uns alle immer wieder zu einem ganz besonderen macht.

Der Krachmann lebt von mehreren Ingredienzien: Dieser Ort hier und dieses Haus haben eine besondere Bedeutung für uns gewonnen; irgendein Mehrzwecksaal ir-gendwo täte es ja wohl nicht.

Natürlich sind auch unsere Beiträge nicht gänzlich wegzudenken, ohne dass der Krach-mann ein wenig von seinem typischen Flair verlöre.

Die ganze Angelegenheit wäre aber ¬– Hand aufs Herz – nicht halb so lustig, wenn wir nur zusammenkämen, um uns unsere Beiträge vorzulesen.

Das ganz Besondere am Krachmann ist doch, - nein, nicht die Schlachtplatte, die Reinhard Mechtler jedes Jahr mitbringt, sondern die Tatsache, dass sich drei – ja auch ansonsten irgendwie unauffällige, gescheite, interessante, und respektable Menschen bereit finden, unsere literarischen Auslassungen zu lesen, sie sich dann anzuhören, sie zu kommentieren und sie letztlich auch noch zu bewerten. Die Kommentare der Jury sind – und hier liegt glaube ich die Metaphorik des heurigen Themas – das, was aus unserem Unfug dann letztlich Fug macht. Wir danken euch für eure großzügige und meist auch wirklich liebevolle Behandlung unserer Leistungen; ohne euch gäbe es den Krachmann mit Sicherheit nicht. Ich weiß, dass mir sowohl Daniel als auch Elmar die besondere Hervorhebung von Horst als Doyen der Jury nicht übelnehmen, sondern seine Stellung ganz genauso empfinden. Nichtsdestoweniger (Hinweis an die Jury für künftige Bewertungen: Man beachte die Vermeidung des Unwortes „nichtsdestotrotz“) ist uns die Jury in ihrer Gesamtheit ans Herz gewachsen und daher gilt unser Dank natürlich auch allen drei Mitgliedern.

Der Hausherr, Stefan, hat sich in Zusammenarbeit mit einem befreundeten Künstler etwas – wie ich meine – ganz Besonderes einfallen lassen, um unseren Juroren, allen voran Horst, zu danken. Ich hatte die Ehre, einer Vorbegutachtung beiwohnen und insbesondere auch meiner Meinung Ausdruck verleihen zu dürfen. (Die kosmetischen Retuschen gehen auf mein Konto, was ich die Jury bei der nächstjährigen Beitragsreihung zu berücksichtigen ersuche.)

Lieber Stefan, bitte sei nun so gut und überreiche unser kleines Dankeschön an Horst, Daniel und Elmar, aber erst nachdem ich mein in solchen Fällen immer passendes poetisches Meisterwerk aus meinen Jugendtagen zum Besten gegeben haben werde:

Ich bitt´ euch nun zum Schluss und Ende,
bedient euch bitte eurer Hände,
aller beider bitte sehr,
ihr seht es gleich, es ist nicht schwer:
Die Spitzen von euch weggerichtet,
damit die Luft, die sich verdichtet,
entweicht mit einem lauten Krach,
sobald die beiden, die nun flach,
man schnell und fest zusammenführt,
so lang, bis man es richtig spürt.
Wohlan denn nun, und dann ist´s aus:
den Juroren ein Applaus!