Jurystimmen

Krachmann 2017, Jurystimmen

von Stephan Eibel Erzberg (Juryvorsitz),

Wojciech Czaja und Elmar Schübl

 

So früh wie noch nie, bereits am 30. September 2017, fand der 13. Krachmann-Preis zum Thema „Rote Plätze“ statt. Das diesjährige Waldviertler Literaturfestival brachte einige Neuerungen: So verlieh die neuzusammengesetzte Jury erstmals Anerkennungspreise aus dem großen Fundus des edlen Stifters. Und zum ersten Mal wurde auch die Leistung der Jury von den hochgeschätzten Gästen beurteilt. Aus verständlichen Gründen möchten wir an dieser Stelle dazu nicht Stellung nehmen. Ein herzliches Dankeschön muss genügen.

 

 

 

Martin Strecha-Derkics

Krieg ist nicht gut und Frieden schon – Gewinner des Krachmannpreises 2017!

 

Wojciech: Schon beim ersten Zuhören und Mitlesen wirkt der Text irrsinnig dicht. Alle sprachlichen Möglichkeiten werden genützt. Man glaubt relativ bald zu wissen, in welche Richtung sich der Text entwickelt. Und dennoch gib es immer wieder Turns. Danke für die Überraschungen!

Elmar: Ein grandioses Debüt! Der Text hat Lust gemacht, Simmering genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich bin erstaunt, was es in Simmering alles gibt.

Stephan: Ich schließe mich meinen beiden hochgeschätzten Juroren an und ergänze: Kein Wort zu viel, keinen Bindestrich möchte ich vermissen.

 

 

Günter Nowak

Rote Plätze. Blood and Sand – Anerkennungspreis für die höchste Opferzahl!

 

Wojciech: Auf mich wirkt der Text sehr feuilletonistisch. Die vielen Querverweise machen den Text unheimlich deprimierend und verleihen ihm eine spürbare Schwere. Letztendlich zeigt der Text, wie brutal wir sind.

Elmar: Hier wird ein schreckliches Menschenbild sehr gekonnt gezeichnet. Mich verwundert nur, dass Heraklit nicht zitiert wird.

Stephan: Der Text scheint mir stringent und konzentriert geschrieben. Er ist einerseits flott, andererseits sehr aufklärerisch.

 

 

Bernhard Schausberger

Am roten Platz oder die Luas im Bar Thors – Anerkennungspreis für die beste Götterdämmerung!

 

Elmar: Der Text hat etwas Episches und zugleich Überraschendes, weil er auf das Alltägliche verweist und auf sehr nachvollziehbare Weise zeigt, dass Scheitern auch ein Gewinn sein kann.

Wojciech: Die Sprache ist gewaltig. Zum Teil meinte ich, eine Nibelungensage zu hören. Sprachlich spannender finde ich jedoch jene Passagen, wo sich aktiv etwas tut. Die rein deskriptiven Passagen hingegen wirken etwas langatmig und schwerfällig.

Stephan: Das Motto des Textes lautet: Nur nicht aufgeben! Auch die Götter, so scheint es, sind ihren Natürlichkeiten ausgeliefert, haben im Gegensatz zu uns Menschen aber die Möglichkeit, sie zu überwinden.

 

 

Michael Drucker

keine geschichte zu roten plätzen – Anerkennungspreis für die beste Kurzfassung des heurigen Themas!

 

Elmar: Der Autor zeigt, welche Schwierigkeiten das heurige Thema mit sich bringt. Seine Lyrik regt zum Schmunzeln und Nachdenken an. Die Ehrlichkeit in dieser Form finde ich erfrischend.

Wojciech: Ich finde spannend, wie die Herangehensweise immer dichter wird und die Qualität von Text zu Text steigt.

Stephan: Tatsächlich ist die dritte Strophe die stärkste. Sie steht für sich allein. Die anderen Strophen bräuchte es meines Erachtens gar nicht. Allerdings erinnere ich an Günter Anders, der frei zitiert meint, dass die Hoffnung eine Spielart der Feigheit ist.

 

 

Matthias Karrer

Rote Plätze? Rote Plätze! – Anerkennungspreis für den schönsten Bluttropfen!

 

Wojciech: Mich erinnert dieser Text sehr stark an Haruki Murakami. Vor allem die Beschreibungen der therapeutischen Reaktionen haben etwas Abgrundtiefes.

Elmar: Ein richtig starker Text! Die Sprachbilder sind poetisch und sehr beeindruckend. Es ist leider keine Selbstverständlichkeit, dass Menschen in solchen Situationen helfen – Respekt!

Stephan: Viele Texte produzieren durch allzu detailreiches Erzählen Langeweile. Sie haben eine einschlafende Wirkung. Doch das ist bei diesem Text ganz und gar nicht der Fall. Hier ist wirklich etwas Außergewöhnliches gelungen.

 

 

Stefan Loicht

Im Keller – Anerkennungspreis für die leiwandste Oaschpartie!

 

Elmar: Loicht trifft Qualtinger, und ich weiß nicht, wer von den beiden mehr Potenzial hat. Eigentlich müssten wir hier eine CD oder ein Hörbuch beilegen, damit alle hören, wie gut der Text auch vorgetragen wurde.

Wojciech: Ich hab mich gefragt, in welchem Gemütszustand bzw. Geisteszustand Stefan Loicht war, als er den Text verfasst hat. Für mich ist das ein innerer Monolog, der ein gewisses soziales Milieu darstellt und auf diese Weise sehr greifbar macht.

Stephan: Der Text ist schwer lesbar, aber dafür umso besser hörbar! Er zeigt die Dimension der Bösartigkeit, die in gewisser Weise immer wieder mit Trottelhaftigkeit Hand in Hand geht.

 

 

Christian Weimann

Rote Plätze – Anerkennungspreis für die größten Helden von heute!

 

Elmar: Ich freue mich jedes Jahr auf Deine humorvollen und zugleich geistreichen Ausführungen. Auch dieser Text – und Dein Vortrag – ein Genuss, herzlichen Dank!

Wojciech: Dieser Text bietet eine alte, längst vergessene Sprache wie einst die Stimme aus der ORF-Wochenschau der Zwanziger Jahre. Der Text beginnt wie ein trockener Gesetzestext und entwickelt sich mehr und mehr zu einem großartigen, humorigen Brainfuck-Text.

Stephan: Ein Text, der sich sprachlich verwandelt, ist sehr selten. Und noch seltener ist, wenn dieses Unterfangen gelingt. Bis auf einen Absatz ist dieser Text sehr gelungen.

 

 

Bernhard Mitterer

Red Places. Colorized Emotions – Anerkennungspreis für die beste Emotion!

 

Elmar: Dieser Text ist ein Universum von Emotionen. Bernhard Mitterer ist ein ganz genauer Beobachter, der uns bei seinen Erkundungsreisen aber nicht schont.

Stephan: Der Text beschreibt Abgründe, und zwar auf eine Art und Weise, dass man beim Vortrag Angst bekommt. Doch es waren nicht die Abgründe, die mich zeitweise in Angst versetzt haben, sondern ihre logische Abfolge und ihre Perspektivlosigkeit.

Wojciech: Ein sinnlicher, sensibler, in Mark und Bein einfahrender Text.

 

 

Christian Ondrak

Rote Plätze. Ein Märchen – Anerkennungspreis für den besten Tod!

 

Elmar: Zum Abschluss gibt es ein Märchen. Dieser Text hat etwas Surreales mit etlichen Überraschungsmomenten, die einen fesseln und Hoffnung auf ein Happy End machen.

Wojciech: Der Text hat etwas Naives, etwas Kindisches, doch am Ende verdichtet er sich mehr und mehr zu einem schönen, schrägen Märchen.

Stephan: Ein Märchen am Ende des diesjährigen, hochkarätigen Krachmann-Preises 2017 verspricht, dass Ausbruch aus der Denkhaft möglich ist. Das macht Hoffnung.