Heimat ohne Vollbart Aus dem Kampagnen-Tagebuch der Herren Meils und Moor

Spiegelfeld Markus

 

1. Tag: Samstag, 28. Juni – Linz, die Stadt der Hoffnung. Liebe Freunde unserer Kampftruppe! Gleich vor niederösterreichischen Bartträgern konnten mir heute ihre absolut inakzeptablen Bartstoppeln abscheren! Ein unglaublicher Erfolg. Beim ersten Bart von Herrn Manfred Fischer ist jedoch der ORF-Radiomoderator Martin Schaumschläger nicht unbeteiligt. Durch seine große Bekanntheit und enorme Autorität zog er den hiflosen Herrn Manfred förmlich als ein Opferlamm ins                Radio-NÖ-Apfelgehäuse, um ihn uns dort auszuliefern. Da nur halb aufgeladen, ist unser Hochleistungsrasierer der Marke Alaska leider nur ein leise brummendes Maschinchen und so konnte der überrumpelte Herr Manfred einen Teil seiner grausigen Bakterienschleuder leider heim ins nördliche Mühlviertel retten.

Samstag, 28. Juni nachmittags – Krems, die Stadt der Vernunft. Als führende Vertreter einer längst überfälligen Hygieneinvasion habe ich nur ein Ziel vor Augen: eine Heimat ohne Bart! Unsere Mission gilt dem glattrasierten männlichen Gesicht und damit der Volksgesundheit. Jedes Kind kennt heutzutage die Regel, dass man sich mit nassem Haar leicht verkühlt. Dies trifft besonders auf Gesichtshaar zu, das bei jedem Schluck Flüssigkeit befeuchtet und durch die Verdunstungskälte dem Körper stärkste Lebensenergie entzieht. Der so entkräftete Mann ist anfällig für jede Art von Infektion. Das feuchte Barthaar bildet gleichzeitig eine Brutstätte für Bazillen, Milben und andere Schmarotzer. Dadurch gefährdet der rücksichtslose Bartträger nicht nur sich selbst, sondern auch seine unschuldige Umgebung. Aber gegen den gezmirbelten Volksschädling sprechen nicht nur medizinische sondern auch handfeste ökonomische Gründe. Denn eins ist klar: Ständig sich im Krankenstand befindende Bartträger belasten das längst überstrapazierte Staatsbudget unnötig. Die Menschen in diesem Land haben ein Recht, die ungeschminkte Realität über den volksökonomischen Irrsinn der Bartträgerei zu erfahren! Und so mussten mir die Kremser Stadtfestfreude trügen, als mir den ersten großen Auftritt im Rahmen unserer Kampagne „Heimat ohne Vollbart!“ bestritten. Der Bevölkerung ist tatsächlich nicht klar, dass der „feine“ Herr Bartträger dem fleißigen Steuerzahler auf der Tasche liegt.
Unsere ökonomischen und hygienischen Argumente brachten anfangs Verstörung, doch konnte der Same der Einsicht sich verbreiten und kurz nach unserem lautstarken Dienst an der Allgemeingesundheit trafen mir auf viele ernsthafte Gesichter, die sich von unseren Ideen tief beeindruckt zeigten. Anschließend gab es Intervievs für ORF NÖ, Standard und FM4, sodass sich Bekehrte zur Pflichtrasur fanden, sodass es heute zu der gar nicht schlechten Quote von insgesamt vier in die Hygienegemeinschaft Niederösterreichs eingegliederten Menschen kam.

2. Tag: Sonntag, 29. Juni. Heute ist Sonntag, der Tag an dem uns der Herr die Arbeit verbat, sodass Pressegespräche stattfanden, jedoch kein Auftritt. Viele Landsleute ahnen immer noch nicht, dass die verheerende Unsitte des Barttragens längerfristig nicht mehr finanzierbar ist. Der bärtige Schmarotzer ist 300 Prozent öfter im Krankenstand als ein Glattrasierter und belastet daher unser Sozialversicherungskassen derart, dass, sobald sich nichts ändert, in Zukunft dreijährige Mädchen am Rathausplatz Zigaretten verkaufen könnten oder sogar ihre kleinen unschuldigen Körper feilbieten müssen, um ihren Familien das schiere Überleben zu ermöglichen. Und es ist vorauszusehen, dass sich immer ein nach Herrenparfüm stinkender Bartträger finden sollte, der diese unhaltbare Situation ausnützen gedenkt.

3. Tag: Montag, 30. Juni. Fiebernd bereiteten mir unseren Auftritt in St. Pölten vor. In einem Frisörbedarfgroßhandel erkundigten mir uns nach der Nachfrage von Bartschneidegeräten und gaben dem Geschäftsbesitzer einige Tipps, um seinen Umsatz zu vergrößern. Zum Schaden der Allgemeinheit lebt dieser Mann nicht nur vom Verkauf von Rasierschaum und scharfen Klingen, sondern auch vom Vertrieb von ungarischer Bartcreme. Die Hoffnung besteht, dass der ehrliche Mann unserem Anliegen, alle lagernden Tuben mit einer Nadel zu zerstechen, nachgekommen ist.

4. Tag: Dienstag, 1. Juli – St. Pölten, die Stadt der Niederborstigkeit. Baut sich ein Politiker heutzutage seine politische Kampfbühne noch selbst auf? Macht das ein Herr Schüssel oder ein Herr Pröll? Gibt es einen Politiker, die sich seine Plakate noch selber aufhängt, selber seinen Soundcheck macht und sein Campingauto parkt auf dem ihm zugeschanzten Platz?
Kein Politiker besitzt die Fähigkeit, am PC Informationsbroschüren zu gestalten, und keiner dieser Zunft verteilt diese im Anschluss daran eigenhändig? Nur mir selbst!
Mit dem Aufbau der Bühne, mit unseren vor Arbeit schon knöchernen Händen zeigen mir den fassungslosen St. Pöltner, dass es Zeit ist, die Dinge selbst anzupacken. Das passive Zuschauen, dass „die da oben“ vielleicht handeln, hat für uns ein Ende. Trotz eines leidenschaftlichen Plädoyers gegen die zum Himmel schreiende Schande des Barttragens haben mir heute keinen einzigen Bart öffentlich abgeschnitten.                 St. Pölten ist die Stadt der Niederborstigen, in der uns teils offene Ablehnung entgegenschlägt: Ein arroganter bayrischer Bartträger sprach Herrn Meils mit „Schleich die, du Verruckta!“ an und rempelt ihn grob. Ein empörter Teilnehmer des Großen Völkerringens in Russland droht Herrn Moor mit einer „Detschen“, als er von ihm verlangt, sich seinen in der russischen Gefangenschaft entstandenen Oberlippenbart an Ort und Stelle abzurasieren.

5. Tag: 2. Juli – Amstetten, die Stadt der Erkenntnis. Ein großartiger Empfang in der Stadt der Erkenntnis! Von freundlichen Sicherheitsbeamten auf den Amstettner Stadtplatz geleitet, begrüßt uns dort unter frenetischem Applaus eine Delegation des örtlichen Kulturvereins unter der Obhut von Frau Dr. Anna Brandstätter. Große, erschrockene Augen starren uns an, als mir die grausliche Realität enthüllen: der Bart ist eine Bedrohung für unsere schönen niederösterreichischen Frauen! Bei jedem Kuss zerkratzt er mit seinen Borsten deren Antlitz und bombardiert die rot gescheuerte Haut mit einer Unzahl von Bakterien, Milben und Mikroben. Jeder Versuch einer erotischen Annäherung ist so ein Terrorakt. Vor allem die hormonell in Richtung Paarungssuche eingestellte, noch unschuldige Amstettner Jugend zeigt sich von diesem Argument sehr angetan und tritt selbst zu uns auf die Bühne, und protestiert lautstark und voller apostolischem Eifer gegen die ekelhafte Unart des Barttragens. Nach der geglückten Kundgebung tritt uns ein Marktstandler entgegen und fragt erzürnt, ob mir es für richtig befänden, dass mir die Jugend mit Bier ködern, um sie gegen Bartträger aufzuhetzen. Im Fall, dass mir jedoch aufgrund des Freibiers Unterstützung bekommen, dann schaut´s für Dr. Schüssel mit den Gratiskugelschreibern auch gut aus.

2. Juli, abends – Ybbs, die Stadt der Eiferer. Neben öffentlichen Auftritten ist es unsere Absicht, sogenannte Kaderschmieden einzurichten, in denen mir getreu Jünger ausbilden, die unsere Idee in ihrem Umkreis verbreiten sollten.
Im Blauen Salon des Gasthaus Heikerdinger scharten mir gleich 50 Sympathisanten unserer Hygienelobby um uns. Mir sind erschrocken, als uns zu Beginn unseres Impulsreferats vier Radaubrüdern in gelben Latzhosen lautstark mit Geplärr und Kochtopfdeckeltschinellenlärm störten! Doch unsere geschlossene Gemeinschaft in Ybbs ist sehr gut ausgesucht: auf einen Aufruf unsererseits, die linken Chaoten von der Bühne zu schmeißen, griffen unsere beherzten Freunde sofort radikal durch und prügelten die Störenfriede aus dem Gasthof hinaus. Später hat uns jemand mitgeteilt, dass es sich bei dieser Störaktion um ein hochsubventioniertes Kunstprojekt der Firma Hymnos im Rahmen des Festivals der Regionen gehandelt hatte. Mein Gott! Unser hart erarbeitetes Steuergeld - für alles und jeden verschleudert! Umso verbissener fuhren mir mit dem Vortrag fort. Um die Gemeinschaft zu bestärken, gipfelte die Veranstaltung in einer radikalen Achselhaarrasur des Herrn Meils.

6. Tag: Freitag, 3.Juli – Neustadt, die Stadt der Zukunft. Bei unserer Einfahrt sind die Straßen mit Spalier stehenden und Fähnchen haltenden Kindern gesäumt. Mir sind sicher am Zenit unserer Macht angelangt. Mit erhobenem Haupt betraten mir den menschenleeren Rathausplatz. Auf eine Überraschung hoffend bauten mir mit bloßen Händen routiniert unsere Bühne auf, doch die große Überraschung trat nicht ein. Stattdessen schreckliche Leere. Es stellte sich heraus, dass unsere erhabene Einfahrt nur ein zufälliges Nebenprodukt der jährlich stattfindenden Zeugnisverteilung ist, da die Schulkinder jeder Altersstufe freudig ihre Schulnachrichten vorzeigenten. Dank der Einsatzfreude unseres lieben Freundes Alfons Sch´arzmayr füllte sich der Rathausplatz dann doch noch. Unser letzter Auftritt auf einem niederösterreichischen Markt ist zu einem triumphalen Ereignis für alle Beteiligten zu Ende gegangen.
Die Zustimmung dazu, dass sich die Bartrasur in finanziell angespannten Zeiten im Sinne der Volksgemeinschaft zur moralischen Pflicht erhebt, ist jetzt in Neustadt uneingeschränkt. Die Zukunft Neustadt ist gesichert. Hier leben brave Menschen, die sich nicht davor scheuen, die Ärmel hochzukrempeln und die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Die Rücktrittserklärung der Herren Meils und Moor

Liebe Landsleute!
Liebe Freundinnen und Freunde unserer Kampftruppe!

Die seit Mitte Juni laufende Kampagne für eine Heimat ohne Bart hat in den letzten Tagen mit acht Auftritten der Herren Meils und Moor – vom Kremser-Bahnhofmarkt bis zum Gasthaus Möslinger in Neustadt – ihren Höhepunkt erreicht. Die Region hatte man zuvor schon medial für unsere Mission sensibilisiert , es fiel uns in unseren leidenschaftlichen Plädoyers gegen den Irrsinn des Barttragens leicht, die Bürger von der medizinischen und ökonomischen Pflicht der Rasur zu überzeugen.
In absoluten Zahlen klingt es vielleicht nicht so beeindruckend, aber 11 abrasierte  Bärte dürften trotzdem als Initialzündung für ein selbständiges Leben der Idee reichen. Besonders auffallend ist, dass es uns als Gründer der Kampftruppe „Heimat ohne Vollbart!“ tatsächlich gelungen ist, den Bartträger zu entindividualisieren. Plötzlich ist der „feine Geck“ keine eigenständige Persönlichkeit mehr, sondern nur mehr Teil der Gruppe des „bärtigen Gesindels“. In vielen Informationsgesprächen stellte sich immer heraus, dass sich jeder Bartträger von nun an ob seines Bartes rechtfertigen muss. Er ist dadurch automatisch in einer Verteidigungsposition und als störendes Element der Gesellschaft sichtbar gemacht!
Bestärkt durch diese Erfahrungen und intensive Gespräche, die mir in den letzten Tagen mit der Bevölkerung führen konnten, fühlen mir uns sicher, dass unsere Landsleute die Sache nun selbst in die Hand nehmen können und Ihre Pflicht zu erfüllen bereit sind. Mir treten deshalb ab sofort von unserer Funktion als führende Vertreter der Hygienelobby zurück, um uns in Zukunft anderen brennenden Problemen anzunehmen, z.B. dem der Sicherheit von niederösterreichischen Goldhaubengruppen.

Die Herren Meils und Moor