VOLAPUEK – Eine Erregung

Nowak Günter


Vorbemerkung
Die Volkswirtschaftslehre (Abkürzung: VWL, früher auch Nationalökonomie) ist ein Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft. Sie basiert auf der Knappheit von Ressourcen (Güter und Produktionsfaktoren), die der Bedürfnisbefriedigung der Wirtschaftssubjekte dienen, und untersucht die Zusammenhänge und Prozesse bei der Allokation (Zuordnung) dieser Ressourcen. Dieses Spannungsfeld modelliert die VWL sowohl einzelwirtschaftlich (Mikroökonomie) als auch gesamtwirtschaftlich (Makroökonomie). Die VWL versucht, Gesetzmäßigkeiten zu finden und daraus Handlungsempfehlungen für die Wirtschaftspolitik abzuleiten. Gleichzeitig beschäftigt sie sich mit dem menschlichen Handeln unter ökonomischen Bedingungen, das heißt mit der Frage: wie kann das Handeln von Menschen ökonomisch begründet werden und welches Handeln bringt den größtmöglichen Nutzen für den Einzelnen.

VOLAPÜK - Das Ereignis
Das Gedränge im Auditorium Maximum der Universität Wien ist heute sogar noch schlimmer als es damals in der Einführungsvorlesung für Psychologie in den Zeiten vor der Einführung des numerus clausus war. Aber im Unterschied zu früher liegt heute das Durchschnittsalter der Anwesenden nicht bei knapp über 18 Jahren und die Sozialverteilung zeigt bedauerlicherweise nicht mehr den damals so angenehmen deutlichen Überhang an jungen Kärntnerinnen, die der Enge des Lavanttals entfliehen wollten. Noch heute bestehen ja bekanntlich grundsätzliche Auffassungsunterschiede zwischen den Zeitzeugen, ob entweder die „Einführung in die Psychologie“ oder nicht doch eher die legendären „Theaterwissenschaften 1“ höhere Grundgesamtheiten für basisdemokratische Diskurse über historisch-materialistische Gesellschaftstheorie mit anschließenden Kopulationsmöglichkeiten geboten habe. Den heute Anwesenden fehlt auch ein wenig die damals notorische Geruchsmischung im Audimax, die sich zu gleichen Teilen aus kaltem Zigarettenrauch, Padschuli und Mottenkugeln zusammensetzte, wobei besondere Nostalgiker auf die feinen Unterscheide zwischen den Wintermonaten, mit deren ganz speziellen Duftmischungen, die aus der dezenten Abstimmung zwischen nassgewordener Schafwolle in Form von selbstgestrickten Isländerpullovern und dem Dunst selbstgepanschten Glühweins auf Basis von Billa-Bockerl – der Doppler um 6 Schillinge – resultierte und dem im Sommer – aus diesem ganz spezifischen Lobau-Parfüm –, welches so harmonisch zwischen Nivea-Sonnencreme, Dechant-Lacken-Wasser und Schweiß changierte.

Heute dagegen dominieren Herren fortgeschrittenen Alters das Bild gegenüber nur wenigen Studenten in diesem legendär-berüchtigten Universitätssaal; Frauen stellen in diesem Spektrum überhaupt eindeutig die Minderheit dar.

Die Altersstruktur schwankt überwiegend zwischen „bestem Mannesalter“ bis hin zu Personen, die eine fiktive Pensionsgrenze bereits eindeutig überschritten haben und die daraus resultierenden Pensionsleistungen offensichtlich auch nachhaltig konsumieren. Eine grundsätzlich lederartige Struktur der Gesichter lässt auf vorwiegende Daseinsformen zwischen Sommern auf Golfplätzen in der steirischen Thermenregion und Wintern an krisensicheren thailändischen Stränden schließen.

Während das Audimax, in all seiner Scheußlichkeit, Kontinuität und Verlässlichkeit auch über lange Zeiträume hinweg vermittelt – wenn man die Augen schließt und sich sehr konzentriert stinkt es immer noch ein wenig – haben sich die Anwesenden in den vergangenen Jahren zumindest nachhaltig verändert: Sie riechen jetzt viel besser und zeigen nun ein auffälliges Maß an optischer Vielfalt. Heute herrscht im Allerheiligsten der Wiener Universität – etliche Jahre nach der Phase der studentischen Uniformierung, welche damals vorwiegend aus den essentiellen Bestandteilen Nato-Jacke, Adidas-Rom-Schuhe, Wrangler-Jeans, weißen Tennissocken und einer T-Shirt-Auswahl aus dem Humana-Container bestand - eine seltsame und in dieser Mischung außergewöhnliche Ausgewogenheit prinzipiell inkompatibler Bekleidungscodes innerhalb der absurden Bandbreite von Architektenschwarz, Forst-Adjunktenmoosgrün, Sozialarbeiter-„Habe für Alles Verständnis-Farben“ bis zur allgemeinen „Peek-und-Cloppenburg-Das-nehm´-ich-auch-noch“-Farbpalette.

Dieses breit gestreute Spektrum an sozialadäquaten Verkleidungen resultiert offensichtlich aus der Tatsache, dass der überwiegende Anteil der Anwesenden sich aus Absolventen und einigen wenigen Studierenden der Studienrichtung Volkswirtschaft zusammensetzt, ein Studium welches ja traditionellerweise die wissenschaftliche Schnittstelle zwischen linken Sozialrevolutionären, rechten Kadern und einem vermutlich primär liberal ausgerichteten Zentrum darstellt. Die Zeitengänge haben dieses ehemals explosive Gemisch zu einer weitgehend ausgesöhnten Gruppe aus aktiven und ehemaligen Professoren, Abteilungsleitern, Sektionschefs, Aufsichtsräten und Vorständen gemacht. Das erklärt übrigens auch den augenscheinlich so geringen Anteil an Frauen unter den Anwesenden.

Das Thema der heutigen Veranstaltung im Auditorium Maximum haben aber auch eine erkleckliche Zahl von Akademikern anderer Studienrichtungen hier zusammengeführt, so dass man an diesem Tag in Summe ein umfangreiches Spiegelbild der geistigen Landschaft Österreichs der letzten 30 Jahre erhalten kann.

Schon bilden sich Kreise aus Personen, die einander offensichtlich seit vielen Jahren nicht mehr getroffen haben; Schulterklopfen bei gleichzeitig abschätzenden Blicken auf die Bierbäuche der jeweiligen Gegenüber sowie dieser spezifische Gesichtsausdruck des „Verdammt wer ist das bloß?“ untermalt von einem neutralen: „Und was machst du denn jetzt so?“ prägen das Bild. Es kommt auch zu herzergreifenden Wiedersehens-Szenen, wie z.B. als eine mittlerweile auch nicht mehr ganz junge Dame einem bekannten ÖVP-Mandatar und Erste-Bank-Manager, der sich inmitten eines Kreises von lodenbekleideten Karli-Habsburg-Clons befindet, mit den Worten „Michi, erkennt´s mi noch?“ von hinten die Augen zuhält, worauf der so Angesprochene mit einem „Aber klar Tina, haben´s Dich schon rausgelassen oder bist Du heute auf Freigang?“ auf ein wenig rühmliches Kapitel im Werdegang der damaligen Strahlefrau der sonst so treu katholisch-monarchistischen jungen europäischen Studenteninitiative im Umfeld um ein wenig veruntreutes Spendengeld für arme kleine Negerleins anspielt.

Eben betritt der bekannte, als Spezialist für Ausweisungsverfahren im Innenministerium zuständige, Sektionschef den Saal und wird lautstark von einer Gruppe ehemaliger Trotzkisten – heute alle Kammerpräsidenten – mit den Worten „Mandi, kennst´Du uns nimma?“ begrüßt, worauf dieser fein lächelnd unter seinem feinen Armani-Tuch ein Rosa-Luxemburg-T-Shirt aufblitzen lässt.

Während sich das Plenum noch versammelt kann man immer wieder einzelne Gesprächsfetzen auffangen, die oft um sentimentale Erinnerungen im Zusammenhang mit dem heutigen Veranstaltungsort kreisen: Satzteile wie „… erinnerst Di, da Summa von 1982 …“ oder „wos mia domois ois zsammgsoffn haubn, des geht auf ka Kuahaut…“ oder „du, der mit der Glatz´n in der zweiten Reihe in dem schwarzen Anzug, ist das nicht der Karl von der GRM…“ und „kannst Du Dich noch an das Fest nach der Spaltung der der veganischen Maoisten von den Trotzkisten im Voom erinnern?“ kontrastieren auf recht sympathische und zutiefst menschliche Weise mit anderen Gesprächen, die sich primär mit Themen der Sicherheit von Pensionsrücklagen, Fonds und Anleihen beschäftigten. Ein besonders lautstark geführtes Gespräch erörtert die grundsätzliche Frage, ob staatliche Bankgarantien aufgrund des Gleichheitsprinzips nicht auch für Schwarzgeldkonten in Liechtenstein gelten müssen.

Eine unübersehbare Anzahl an Presse- und MedienmitarbeiterInnen, die mit allen Insignien der Branche, wie Richtmikrophonen, Monsterzooms und diesem besonderen „Lasst mich ganz vorne sein-Gefühl“ ausgestattet sind, vermittelt eine allgemeine Aura von Wichtigkeit. Allerdings fehlt es merklich an einem Seitenblicke-Team.

Inzwischen haben alle TeilnehmerInnen an der vom Auditorium mit Spannung erwarteten Diskussion auf dem Podium Platz genommen. Auf der Tribüne drängt sich, neben der Elite der österreichischen Wirtschaftsforschung und Wissenschaftspolitik, auch die Prominenz des österreichischen Wirtschaftsjournalismus. Eingeweihte orten eine repräsentative Anzahl an Universitätsrektoren, Professoren der verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Universitätsinstitute und Forschungseinrichtungen sowie eine Anzahl an aktiven und ehemaligen Wissenschaftsministern und prominenten Politikern. Man erkennt unter anderem die Professoren Streissler und Kramer, Dr. Schulmeister sowie die Wirtschaftsforscherzwillinge Felderer und Aiginger. Helmuth Zilk ist naturgemäß anwesend, Elisabeth Gehrer nicht. Niki Lauda ist allerdings auch nicht da.
Als Moderator der Veranstaltung firmiert der bekannte Wirtschaftsjournalist Helmuth Gansterer, der nun mit der Dynamik und Raumverdrängung einer Suzuki DL 1000 V-Strom und dem Styling eines Bugatti 1956 das am Rednerpult befestigte mobile Mikrophon ergreift.
Gansterer bittet um Ruhe und begrüßt Plenum und Auditorium im Namen der Gastgeber. Es handelt sich dabei um die österreichische Volkswirtschaftliche Gesellschaft und den Dachverband der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten der österreichischen Universitäten.

Nach der Eröffnungsrunde kommt der Moderator sofort zum Thema und verkündet nach der bekannten These vom Ende der Politik, dem Desaster der Weltwirtschaft nun auch den Schwanengesang der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung: „Unser Thema heute ist: VOLAPÜK hat unsere Wirtschaft ruiniert, ruiniert es jetzt auch noch unsere Wissenschaft?“

Der Moderator nun namentlich begrüßt den mit dem alternativen Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichneten Prof.Dr. Karl-Maria Freigeist und kündigt an, dass dieser das Eröffnungsreferat über seine bahnbrechende Forschung zum Thema „VOLAPÜK – Über die Unmöglichkeit der Erkenntnis in den Wirtschaftswissenschaften“ und insbesondere sein Hauptwerk „Vom Axiom zum Zirkelschluss“ sowie die daraus resultierenden Folgen während der letzten Monate halten werde. Folgen – so Gansterer - die in ihrer Größenordnung und Dynamik an Bedeutung für die Wirtschaftswissenschaften als gleichwertig mit dem Zusammenbruch der Lehman Brothers für die Realwirtschaft gelten müssen: Wie in der Wirtschaftskrise sei zunächst noch insofern beruhigt worden, dass diese Krise alleine die USA betreffe, aber jetzt komme sie auch nach Europa. Mit den Worten: „VOLAPÜK hat das Ende der renommierten Wirtschaftsuniversität in Chicago bedeutet, trifft es jetzt auch die Wirtschaftsuniversität St. Gallen oder gar die WU Wien?“ übergibt der Journalist das Mikrophon an den Hauptreferenten und schenkt sich aus der vor ihm stehenden Flasche Bründlmayer Riesling Heiligenstein Smaragd ambitioniert ein. Während das Plenum um dieses önologische Zentrum inmitten der Krise zusammenrückt, erörtert der frisch gekürte alternative Wirtschaftsnobelpreisträger die Hauptthesen und akuten Folgen seines Werkes:

Bereits bei den Ausführungen über seine Kritik an der traditionellen Volkswirtschaftslehre und insbesondere deren Monetarismus- und Geldmarkttheorien, angesichts der Entwicklungen der letzten Monate sowie seinem eigenen Theorieansatz des VOLAPÜK = Volatilität Prekärer Überregionaler Kreditsysteme, der die prinzipielle Nichtwissenschaftlichkeit der Wirtschaftswissenschaften beweise, entsteht deutliche Unruhe sowohl unter den Diskussionsteilnehmern als auch im Auditorium. Schon nach den ersten Worten von Prof.Dr. Karl-Maria Freigeist ziehen sich einige der Anwesenden Bruno-Kreisky-Pullover über, während Andere – offensichtlich überzeugte Interventionisten –, Keyns-Plakate entrollen und auf einem ersten Transparent bereits jetzt lapidar „Zurück zum STAMOKAP (Staatsmonopolkapitalismus)“ gefordert wird.

Der für seine Scharfzüngigkeit bekannte und berüchtigte Referent kommt nun aber erst zum Kern seiner Thematik: „Ist eine Wissenschaft, auch dann noch eine Wissenschaft, wenn sie nicht wissenschaftlich ist?“ Dann verweist Freigeist auf die ersten unmittelbaren Folgen seiner Arbeit: Die Einstellung der Lehrtätigkeit an der renommierten Wirtschaftsuniversität in Chicago, nachdem die wichtigsten Sponsoren dieser Hochschule in Folge der Veröffentlichung seiner Arbeit ihre Unterstützung entzogen haben. Die Versicherung des neuen österreichischen Wissenschaftsministers „… dass ähnliche Entwicklungen in Europa und speziell in Österreich nicht möglich und Studienabbrüche oder sogar die Rückforderung von Studiengebühren unter den aktuellen Gegebenheiten völlig überzogene Reaktionen seien“ sowie die Übernahme von Staatsgarantien für die finanzielle Absicherung der autonomen Universitäten habe zwar zwischenzeitlich zu einer gewissen Beruhigung dieses Marktes geführt. Die Vorveröffentlichung von Auszügen des zweiten Bandes seines Werkes („Zur Methodik der Wirtschaftwissenschaften“) habe aber nach dieser kurzen Beruhigungsphase am Wissenschaftsmarkt, während der sogar ein kurzer Boom an Neuinskriptionen zu verzeichnen gewesen sei, zu einer neuerlichen Verschärfung der Krise geführt: Der von ihm in diesem Buch erbrachte Nachweis, dass die Prognosen der verschiedenen Wirtschaftsforschungsinstitute immer hoch miteinander, niemals aber mit den Entwicklungen in der realen Wirtschaft korrelieren habe nun auch der empirischen Wirtschaftsforschung und deren Methoden einen entscheidenden Schlag versetzt. Prof.Dr. Karl-Maria Freigeist nun wörtlich: „Die Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute haben einen ähnlichen Wahrheitsgehalt wie Schönwetterprognosen vor einem verlängerten Wochenende in einem verregneten August.“

Der Referent muss an dieser Stelle kurz unterbrechen, weil der IHS-Leiter Prof. Bernhard Felderer bei den letzen Worten sein Glas fallen ließ und nun offensichtlich vor einem vollkommenen Zusammenbruch steht, was Prof. Karl Aiginger vom WIFI veranlasst ihn spontan zu umarmen und mit den Worten „Wir werden das schon irgendwie gemeinsam durchstehen“ zart über den Kopf zu streichen.

Parallel dazu ereignet sich im Auditorium so etwas wie ein Revival des Positivismusstreits: Während die Befürworter der empirischen Erkenntnis lautstark protestieren, hört man Zwischenrufe mit dem Inhalt „Die glauben ja immer noch, was sie messen!“ Darauf wiederum kommt es zu Reaktionen wie „Senile Marxistenbande!“, „Diese Idioten haben wahrscheinlich wirklich ´mal einen Habermas bis zum Schluss gelesen“ oder nur knapp „Frankfurter Idioten!“ folgen, hört man aus dem Plenum vom hinten links sitzenden Franz Kreuzer ein „Wie schon Sir Karl Popper in unserem letzten Gespräch…“ - der Rest des Satzes bleibt vor dem Hintergrund der zunehmenden Lärmentwicklung leider unverständlich.

Der Moderator der Veranstaltung schafft für die ausstehenden Schlussworte des Referenten nachhaltig für Ruhe indem er mit seinem – genagelten - Schuhabsatz auf das Rednerpult drischt und dem hinter ihm sitzenden Herbert Lackner zuflüstert: „Das wollte ich immer schon mal machen – und es funktioniert ja wirklich!“ Darauf repliziert Lackner etwas sentimental: „Ja, ja der Nikita, das war schon einer!“ Die wenigen anwesenden Zeitgeschichtler reagieren begeistert.

Der Referent Prof.Dr. Karl-Maria Freigeist kommt nun zum Schluss seiner Ausführungen und stellt die alles entscheidende Frage: „Ist es – angesichts all dieser Fehlleistungen - nicht die ehrliche Aufgabe einer Wissenschaft, die die eigene Nicht-Wissenschaftlichkeit jetzt theoretisch, empirisch und praktisch nachgewiesen hat bzw. erfahren musste, sich selbst aufzulösen? Ich meine das natürlich inklusive der Auflösung aller Lehrstühle und allenfalls der Aufhebung aller akademischen Titel!“

Helmut Gansterer, der die nun bevorstehende Entwicklung als professioneller Moderator vorhergesehen und daher rechtzeitig bereits vor diesem Schlusswort eine weitere Flasche vom Riesling Heiligenstein geöffnet hat, eröffnet die nun allgemeine Diskussionsrunde mit den Fragen: „Darf sich eine Wissenschaft selbst auflösen? Bricht dann nicht auch das gesamt akademische Gefüge zusammen?“ und fügt hinzu: „Ich übernehme jetzt einfach die Rolle des Advocatus Diaboli: Was machen wir mit dem ganzen akademischen Schrott?“

Offensichtlich beginnen erst jetzt einige der Anwesenden die konkreten und praktischen Auswirkungen der Situation auf ihre konkrete Lebenssituation zu verstehen und nicht mehr nur als rein akademische Debatte zu betrachten. Aus dem Auditorium vernimmt man eine besorgt klingende und laut ausgerufene Frage: „Hat das irgendwelche Auswirkungen auf meine Biennialsprünge?“; und ein anderer Zwischenrufer schließt offensichtlich an diese Wortmeldung direkt mit der unvollständig formulierten Frage „… und auf meine Vordienstzeiten?“ an.

Bevor diese bedeutenden arbeits- und sozialrechtlichen Aspekte des Themas allerdings diskutiert werden können eskaliert allerdings die Situation: Ein Entschließungsantrag der beinhaltet vorläufig die Worte „Wirtschaft“ und/oder „Wissenschaften“ aus dem Namen „Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät“ zu streichen den Christoph Badelt, der Rektor der WU Wien in seiner Funktion als Vorseitzender der Rektorenkonferenz, nun vorliest führt dazu, dass einige der Anwesenden protestierend den Saal verlassen; man hört empörte Rufe wie „Niemals!“ oder „Revoluzzer!“.

Das freundliche Angebot den Wirtschaftswissenschaften an der theologischen Fakultät „ein Dach über dem Kopf zu bieten“ bzw. „in den Schoß der Kirche aufzunehmen“, weil dies einerseits ein Gebot der christlichen Nächstenliebe sei und andererseits ohnedies nur der Glauben zähle, stößt - folgt man den spontanen Reaktionen, die vor allem von hysterischem Gelächter geprägt sind - auf keine überwiegende Zustimmung.
Ein weiterer Beitrag, nämlich der Vorschlag eines Diskussionsteilnehmers der sich selbst als „Alten Herren“ der Verbindung „Brutalia“ vorstellt, man könne ja bis zur Klärung der Causa vor den jeweiligen akademischen Titeln ein provisorisches H.C. (humoris causa) einfügen, provoziert dagegen bereits lautstarke Empörung.

Spontan tun sich nun wieder alte Gräben zwischen den versammelten Akademikern auf, es zeigen sich aber auch längst vergessen geglaubte Gemeinsamkeiten: So erhebt sich auf einmal ein nicht unprominenter Vorstandsvorsitzender eines Versicherungsunternehmens und beginnt mitten im Auditorium Maximum spontan die „Internationale“ zu intonieren. Andere Anwesende stehen ebenfalls auf und beginnen mitzusingen bzw. zu mitzusummen. Als dann auch noch plötzlich Flugzettel mit dem Text durch den Raum fliegen, steigern sich einerseits sowohl Lautstärke als auch Textsicherheit der Sänger als auch andererseits das Zusammenrottungsverhalten diverser deutschnational Colorierter.

Am Podium beginnt parallel dazu ein erbitterter Streit zwischen Anhängern der Neofreudianischen Wirtschaftstheorie, die den prinzipiell analen Charakter des Monetarismus nun voll belegt sehen und die aktuelle Situation vor allem als Triebsublimierung erleben und einigen Anhängern von Jung, die hier statt dessen, ein „eindeutiges archätypisches Phänomen“ erkennen.

Nachwort
Die Situation eskaliert schließlich vollkommen, als einige Studenten des volkswirtschaftlichen Instituts der TU Wien versuchen, in „VOEST-Now“ und „Ruhaltinger“-T-Shirts das Podium zu stürmen und dabei „Arbeitsplatzgarantie - auch für die Theorie!, Arbeitsplatzgarantie - auch für die Theorie!“ skandieren.

Was in den nächsten Stunden passiert, sollte schließlich als das „Makroökonomische Bacchanal“ in die Geschichte der Universität Wien eingehen.

Das anstehende Problem wurde allerdings überraschend schnell auf Basis des Prinzips „Es gibt in Österreich ein prinzipielles Recht auf wohl erworbene Rechte“ mit den Stimmen aller Parlamentsparteien in die Präambel der österreichischen Verfassung aufgenommen und damit – wie die Kronen Zeitung am nächsten Tage verlautete – auf eine - auch für die EU vorbildliche Weise - gelöst.

Die Überschrift im Bericht von P.M. Lingens im Profil der folgenden Woche über diese und die daran anschließenden Ereignisse lautete übrigens: „Und wieder einmal triumphierte der Markt!“